Hysterie ums Pferdefleisch?

Heidrun Franke arbeitet für die Verbraucherzen-trale Brandenburg

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Im Augenblick diskutiert ganz Deutschland über nicht deklariertes Pferdefleisch in der Lasagne. Ist diese Hysterie nicht übertrieben, schließlich handelt es sich nur um geringe Mengen?
Franke: Die Mengen sind unterschiedlich. In Großbritannien bestanden die Burger bis zu 100 Prozent aus Pferdefleisch. Da wurde das Rind vollständig ersetzt. In Deutschland wurden bislang nur geringe Mengen gefunden, aber es war auch schon mal von 30 Prozent die Rede. Davon abgesehen, ist das auf jeden Fall Etikettenschwindel und damit ein strafrechtlicher Tatbestand. Hier werden die Verbraucher bewusst getäuscht. Es ist ja ein Unterschied, ob ich Pferd oder Rind esse.

Die Sache gewinnt zunehmend an Brisanz. In Großbritannien wurde jetzt ein für Menschen schädliches Schmerzmittel im Fleisch nachgewiesen.
Ja, das Schmerzmittel »Bute« mit dem Wirkstoff Phenylbutazon.

Glauben Sie, dass dieses belastete Fleisch auch in die Bundesrepublik gelangt ist?
Wenn das der Fall ist, dann haben wir einen doppelten Schwindel. Neben dem Etikettenschwindel wurde auch noch Fleisch von Tieren verarbeitet, die nicht für die Lebensmittelproduktion zugelassen sind.

Es gibt Pferde, deren Fleisch nicht in Umlauf gelangen darf?
Ja. Da wird bei Pferden ganz genau unterschieden. Sie haben einmal Pferde, die eigentlich nur geschlachtet werden dürfen, um zu Lebensmitteln weiterverarbeitet zu werden. Zum anderen gibt es Last- oder Sportpferde. Für die gelten die strengen Regelungen zum Medikamenteneinsatz nicht.

Aber ist Fleisch aus industrieller Produktion nicht generell mit Medikamenten belastet?
Das sind ganz andere Größenordnungen. Bei den lebensmittelliefernden Tieren gibt es genaue Vorschriften darüber, was und wie viel eingesetzt werden darf. Zum anderen sind Wartezeiten zwischen Medikamentenabgabe und Schlachtung festgeschrieben. Im Falle der Last- und Reitpferde gibt es dieses Limit nicht. Die bekommen so viel verabreicht, wie sie vertragen und sind deshalb nicht für den menschlichen Verzehr geeignet.

Bleibt die Frage, wie das Fleisch überhaupt in den Handel gelangen konnte? Eigentlich müsste das doch zurückzuverfolgen sein.
Das ist das Problem: Die EU-Gesetze verlangen nur die Rückverfolgbarkeit über eine Stufe. So weiß der Tiefkühlkosthersteller nur, wer die Lasagne produziert hat. Der Lasagneproduzent wiederum weiß nur, wer ihm die Rohstoffe liefert. Der Rohstofflieferant hat wahrscheinlich noch einen Großhändler, von dem er das Fleisch bezieht. Erst dann kommt der Schlachthof. Später noch Erzeugergemeinschaften. Manchmal sind auch gleich mehrere Großhändler zwischengeschaltet. Eben aus diesem Grund dauert es so verteufelt lange, bis wir wissen, woher das Fleisch überhaupt kommt.

Wie kann man das ändern?
Ganz einfach: Wir brauchen Dokumente, die stufenübergreifende Information bieten – vom Bauernhof bis zum Supermarkt. Das sollte im digitalen Zeitalter eigentlich kein Problem sein. Man muss es nur gesetzlich durchsetzen.⋌Fragen: Fabian Lambeck

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