Rechtsschwenk in Russlands Opposition?

Koordinierungsrat fordert Visumszwang für Arbeitssuchende aus Zentralasien

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine migrantenfeindliche Erklärung des »Koordinierungsrates der Opposition« verstört selbst Freunde der russischen Protestbewegung.

Was ist aus dem »russischen Frühling« mit seinen Rufen nach mehr Demokratie geworden? Hunderttausende demonstrierten gegen Wahlfälschung, Korruption und eine dritte Präsidentschaft Wladimir Putins, nachdem der damalige Präsident Dmitri Medwedjew verkündet hatte, er habe sich mit Putin über den Ämtertausch geeinigt.

Inzwischen ist es um die russische Protestbewegung ruhiger geworden. Doch die außerparlamentarische Opposition marschiert weiter - wie es scheint nach rechts. Vor wenigen Tagen forderten 30 Mitglieder des durch Internetabstimmung gewählten »Koordinierungsrates der Opposition« bei sieben Enthaltungen die Einführung der Visumspflicht und damit eine Zuzugsbegrenzung für Bürger Zentralasiens. Jahr für Jahr nehme die Flut der Migranten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken zu, heißt es in der Erklärung.

»Ich habe nie große Illusionen über den Koordinierungsrat der Opposition gehegt«, kritisierte der linke Petersburger Umweltschützer Raschid Alimow die Erklärung gegenüber »nd«. »Skandalös ist die Erklärung auch vor dem Hintergrund, dass es keine einzige Neinstimme gab.« Besonders traurig mache ihn, dass Jewgenia Tschirikowa für die Erklärung gestimmt hat. Tschirikowa wurde als Umweltaktivistin bekannt, die sich vehement für die Erhaltung des Chimki-Waldes vor den Toren Moskaus einsetzte. Alimow hält es übrigens durchaus für möglich, dass die Regierung der Forderung des Koordinierungsrates entspricht. Viele Arbeitskräfte aus Zentralasien gelangen schon heute nur durch Leiharbeitsfirmen an eine bezahlte Beschäftigung, erhalten jedoch nur die Hälfte des Lohnes ihrer Kollegen. »Ein Visumzwang wird das Leben der Migranten weiter erschweren«, fürchtet Alimow.

Die jüngste Erklärung ist nicht der erste Schwenk der Opposition nach rechts. Nicht nur, dass der Blogger Alexej Nawalny, eine der bekanntesten Figuren des Koordinierungsrates, regelmäßiger Teilnehmer des fremdenfeindlichen »Russischen Marsches« war und während des Kaukasuskrieges 2008 die Deportation aller in Russland lebenden Georgier gefordert hatte. Auf seiner Internetseite (www.kso-russia.org) setzt sich der Koordinierungsrat auch für die Freilassung des Nationalisten Daniil Konstantinow ein. Der wegen Mordverdacht in Untersuchungshaft sitzende Konstantinow ist Mitglied der Bewegung »Die Russen«, gehört zu den Organisatoren des »Russischen Marsches« und zu den Gründern der »Liga zur Verteidigung Moskaus«. Die Gruppe kämpfte gegen Migranten, von Nichtrussen begangene Verbrechen und die angebliche Islamisierung Moskaus.

Anfang Februar wurde Ilja Guschin verhaftet. Er soll bei der Anti-Putin-Demonstration im Mai vergangenen Jahres auf dem Bolotnaja-Platz Gewalt gegen Polizisten angewandt haben. Auch Guschin, Mitglied der rechtsradikalen Nationaldemokratischen Partei NDP, erfreut sich einer wohlwollenden Berichterstattung regierungskritischer Medien.

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