Straftäter der Colonia Dignidad in Haft
Opfervertreter drängen auf Bestrafung des nach Deutschland geflüchteten Sektenarztes Hopp
Nach der letztinstanzlichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Chiles am 25. Januar haben sich vier von sechs verurteilten Führungsmitgliedern der Colonia Dignidad (Kolonie der Würde) der Justiz gestellt. Sie müssen wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger oder Beihilfe zu Vergewaltigungen Haftstrafen zwischen fünf und elf Jahren absitzen. Der ebenfalls verurteilte Gerd Seewald, enger Vertrauter des Sektengründers Paul Schäfer, stellte sich nicht. Der inzwischen 90-Jährige soll sich in Santiago de Chile in medizinischer Behandlung befinden. Sektenarzt Hartmut Hopp hatte sich der chilenischen Justiz Mitte 2011 durch Flucht nach Deutschland entzogen. Er hält sich in Krefeld auf.
Die Colonia Dignidad war 1961 von Paul Schäfer gegründet worden. Kinder und Jugendliche wurden dort systematisch sexuell missbraucht. Nach dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung Salvador Allendes 1973 diente die Siedlung dem Militärregime unter Augusto Pinochet überdies als Folter- und Vernichtungslager. Schäfer war 2005 in Argentinien festgenommen und in Chile verurteilt worden. Er starb im April 2010 mit 88 Jahren.
Opfervertreter begrüßten die Haftstrafen für enge Vertraute des Sektengründers. Margarita Romero, Leiterin der größten Diktaturgedenkstätte Chiles, der Villa Grimaldi, bezeichnete den Haftantritt als großen Schritt für die chilenische Justiz. Opferanwalt Hernán Fernández sprach von einem »großen Tag«.
Ehemalige Siedler, ihre Angehörigen und Menschenrechtsaktivisten drängen Deutschland und Chile angesichts der Urteile zu einer Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte. Dazu gehört für sie in erster Linie die Bestrafung Hartmut Hopps. Der Anklage zufolge soll der Mediziner Schutzbefohlene über Jahre hinweg mit Drogen gefügig gemacht haben, damit sie von Schäfer und anderen missbraucht werden konnten.
»Wir erwarten, dass auch Hartmut Hopp bald in Deutschland seine Strafe absitzen muss«, sagte dazu Gedenkstättendirektorin Romero, »und wir hoffen, dass Deutschland sich an der Finanzierung einer Gedenkstätte für die Opfer der Colonia Dignidad beteiligt.«
Die »Not- und Interessengemeinschaft der Geschädigten der Colonia Dignidad« forderte die deutschen Justizbehörden ebenfalls zum Handeln auf. Sie müssten nun tätig werden, »damit auch der geflüchtete Hartmut Hopp seiner Strafe zugeführt wird«, heißt es in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung des Zusammenschlusses. Der Krefelder Oberstaatsanwalt Klaus Schreiber hatte unlängst gegenüber »nd« bestätigt, dass die Ermittlungen andauern und ein Amtshilfeersuchen an die chilenischen Behörden gestellt werden soll. Ein chilenischer Auslieferungsantrag war von der deutschen Justiz unter Verweis auf die deutsche Staatsangehörigkeit Hopps abgelehnt worden.
Im Bundestag fragte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele die Bundesregierung am Mittwoch, ob sie nun das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Krefeld gegen Hopp unterstützen wolle, »etwa durch diplomatische Bemühungen, rasch die Akten aus Chile zu erhalten«. Die Frage sei auch, ob die Opfer endlich entschädigt würden.
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