IDEX 2013 – Sturmgewehr mit Friedenstaube

Besuch auf der weltgrößten Waffenmesse in Abu Dhabi / 69 deutsche Firmen sind dabei

  • Jan van Aken
  • Lesedauer: 5 Min.
Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, war dieser Tage 2013 in Abu Dhabi. Ziel war die Waffenmesse IDEX 2013, die größte Veranstaltung dieser Art in der Welt. Was ihm auffiel: Überall stolpert man über deutsche Waffen. Hier seine Beobachtungen.
Deutscher Parzer mit griechischer Besatzung
Deutscher Parzer mit griechischer Besatzung

Meine erste Waffenmesse. Der erste Gedanke, der mir hier kommt: Bei anderen Messen werden auch die Endprodukte gezeigt, werden Maschinen so richtig verbrauchernah präsentiert. Auf jeder Industriemesse hängt neben einer Nähmaschine auch ein schönes Kleid. Hier zeigen sie die Toten nicht.

Abu Dhabi, im Februar 2013, die IDEX ist eine der größten Waffenmessen der Welt. Drei Dinge stechen sofort ins Auge: die vielen bunten Uniformen mit haufenweise goldenem Lametta, das breite Spektrum von Waffen zur Aufstandsbekämpfung und drittens: Deutschland ist immer und überall.

Auf der ganze Messe stolpert man über deutsche Waffen. Deutsche Rüstungsfirmen haben hier mit die größte Ausstellungsfläche, laut Ausstellerverzeichnis sind 69 deutsche Firmen hier vertreten, sie haben fast alles im Angebot: Panzer, Gewehre, Raketen, Flugzeuge, U-Boote, Handgranaten, Munition, Tränengas, Schallkanonen... Die Lürssen-Werft ist natürlich auch vertreten, nach jüngsten Pressemeldungen wollen sie gerade Patrouillenboote an die Saudis verkaufen. Und selbst Audi hat hier einen Stand, verkauft gepanzerte Luxuslimousinen. Mercedes Benz sowieso.

Und selbst da, wo nicht Deutschland drauf steht, ist oft auch Deutschland drin. Am pakistanischen Stand: ein Nachbau des deutschen Sturmgewehres G3. Das Militär der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) präsentiert hier stolz seine Fuchs-Panzer, made in Germany sowie ein Patrouillenboot, mit Kanone von Rheinmetall und Motor von MTU. Gepanzerte Fahrzeuge aus Saudi Arabien mit UNIMOG-Fahrgestell. Unter einer südafrikanischen Drohne eine ZEISS-Kamera. Und natürlich die saudischen G36-Sturmgewehre.

Am Stand von Dynamit Nobel wird den ganzen Tag das Zielen geübt, mit einer Panzerfaust auf einen Bildschirm. Ein bisschen wie auf dem Jahrmarkt, wie die Jungs Schlange stehen – nur dass die Jungs hier alle Uniformen anhaben und aus allen Ecken der Welt kommen.

Bei Krauss Maffei Wegmann (»Leopard’s Home«) gibt es den Leopard-Panzer zu besichtigen – ein Muss im arabischen Raum, wo doch gerade Verkäufe an Saudi Arabien und Katar verhandelt werden. Kleine Fußnote: Am Stand wird mir erzählt, dass der Leo aus Griechenland eingeflogen wurde, komplett mit zwei griechischen Soldaten – weil »angesichts der kritischen Debatte in Deutschland kein Bundeswehrsoldat herkommen wollte«....

Fragt man bei den deutschen Ständen nach aktuellen Vertragsabschlüssen oder Erfolgen auf der Messe, gibt es nur eisiges Schweigen. Die Branche hasst die Öffentlichkeit – bei anderen Messen überbieten sich die Aussteller normalerweise mit Erfolgsmeldungen. Auch auf der IDEX sind andere Länder weniger zimperlich, die VAE vermelden bereits am zweiten Tag Vertragsabschlüsse in Höhe von über einer Milliarde. Die deutschen Aussteller wissen offenbar um die ganz breite Ablehnung von Waffenexporten in Deutschland und versuchen, unter dem Radar zu bleiben.

Auch im whitewashing sind die Deutschen ganz vorne mit dabei. EADS zum Beispiel, die mit verschiedenen militärischen Airbus-Modellen vertreten sind. In einem sind liebevoll niedliche weiße UN-Fahrzeuge platziert. Krauss Maffei präsentiert neben dem Leo ein Sanitätsfahrzeug. Alles nur humanitäre Hilfe. Nur Sudan ist da noch offensiver und bewirbt das Sturmgewehr mit einer Friedenstaube. Kein Witz. »Working for Global Peace and Security« steht drunter.

Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zur phänomenalen Daily Show, einer Mischung aus Kriegskunst und Affentheater, das jeden Nachmittag hier aufgeführt wird – Krieg und Spiele mit größtmöglichem Aufwand. Panzer jagen über einen Parcours, eine Motorradstaffel vollführt Salti, eine Kampfgruppe im Schlauchboot ballert sinnlos in die Luft, dahinter Düsenjäger im Tiefflug, Fallschirmspringer, Abseilen aus dem Hubschrauber, Formationsflüge in den Landesfarben – und auf der Tribüne sitzen die finanzkräftigen Besucher und schauen sich an, was sie da gerade alles Schönes gekauft haben.

Die Krönung und zugleich größtmögliche Annäherung an deutsche Verbrauchermessen: ein gepanzertes Fahrzeug der südafrikanischen Firma Paramount, das Tarnmuster in Gold und Silber aufgetragen und mit netten Strass-Steinen besetzt. Aufgehübscht für den Verkauf. Kam hier als Fotomotiv fast so super an wie das Posing mit der G36.

Auffällig ist die große Bandbreite bei den Polizeiwaffen. Die Umbrüche in der arabischen Welt, die Demonstrationen, die brutale Niederschlagung von Aufständen, der Einmarsch der Saudis in Bahrain – auf der IDEX scheint all das noch nicht angekommen zu sein. Die europäischen Firmen bieten hier brutalstmöglich ihre Unterstützung bei der Unterdrückung an. Mercedes Benz hat neben all seinen Militärfahrzeugen ein solides Polizeiauto dabei (Renault und eine südafrikanische Firma übrigens auch), Rheinmetall verkauft Tränengasgranaten in verschiedenen Ausführungen, und eine obskure deutsche Firma bietet eine Schallkanone an: ein riesiges Ungetüm von Lastwagen, das eher an einen Wasserwerfer erinnert, mit großem Lautsprecher auf dem Dach – Taufname »Herbertzhorn«. Nach Aussage des Verkäufers (»ehemaliger LKA-Beamter aus Hamburg«) ist der Schmerz einfach überwältigend, wenn der Apparat angeworfen wird.

Die türkische Firma Otokar ist dagegen völlig schmerzfrei, sie präsentiert ihren Wasserwerfer mit großen Plakaten von Demonstrationen, bei denen ihre Produkte für Ordnung sorgen. Ein gängiges Argument hier: Ist doch besser, als wenn die gleich scharf schießen. So kann man sich die Welt schön reden, denn Beihilfe zur Unterdrückung bleibt es, ob man den Diktatoren nun militärische oder Polizeiwaffen verkauft.

Eine echte Perle ist hackingteam.org, eine italienische Firma, die Spionagesoftware an Regierungen verkauft. Der Sales-Manager für den Nahen Osten wollte nicht verraten, an wen genau, aber sie hätten das Produkt seit 2004 bereits in über 40 Länder verkauft. Damit können Telefone und Laptops infiziert und alles mitgelesen bzw. abgehört werden. Es macht mich etwas unruhig, dass sie eigens einen Sales Manager für den Nahen Osten haben.

Am Ende des Tages, beim Verlassen der Messe, werden wir wieder gescannt, wie beim Reingehen. Es ist eben doch keine Messe wie jede andere.

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