Bewährungsstrafe für Nazi-Mordaufrufe

22-Jähriger bedrohte Bürgermeister von Ratzeburg

  • Dieter Hanisch, Ratzeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Januar 2012 waren an neun Gebäuden der Stadt Ratzeburg Mordaufrufe gegen Mitglieder des örtlichen Bündnisses für Demokratie- und Menschenrechte gesprüht worden. In dieser Woche wurde der geständige Täter verteilt - und bekam eine Bewährungsstrafe.

Tatsächliche Reue oder prozesstaktisches Kalkül? Vor seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Ratzeburg (Schleswig-Holstein) legte Sven W. ein Geständnis ab, eine Entschuldigung kam ihm über die Lippen und er beteuerte seinen Ausstieg aus der Neonaziszene. Der 22-Jährige verließ den Gerichtssaal mit einer 14-monatigen Bewährungsstrafe. Außerdem muss er 2500 Euro an den Inte-grations- und Demokratieverein »Miteinander Leben« in Mölln zahlen.

Mitglied in der NPD

Am 13. Januar 2012 war es der junge Mann, der an neun Gebäude der Stadt Ratzeburg Mord- und Tötungsaufrufe gegen Mitglieder des örtlichen Bündnisses für Demokratie- und Menschenrechte sprühte. Namentlich richtete sich seine Parole unter anderem gegen den parteilosen Bürgermeister Rainer Voss, an die lauenburgische Pröpstin Frauke Eiben und an Michael Schröder, Fraktionschef der LINKEN im Kreistag. Letzterer war wegen seines Engagements gegen rechtsradikale Umtriebe in der Vergangenheit bereits häufiger Ziel von Anschlägen. Zudem hinterließ der Angeklagte die Parole »Judenstaat« an der Rathaustür.

Im Prozess räumte W. all die Taten ein. Er habe den benannten Personen Angst einjagen wollen, gab er als Motiv an. In Ratzeburg war er für einige Jahre der führende Kopf einer Neonazi-Bande, die sich Nationale Offensive Herzogtum Lauenburg nannte. Diese rief immer wieder die Polizei auf den Plan, sei es bei Auseinandersetzungen auf der Straße oder weil Rechtsrock aus einer eigens aufgebauten Wohngemeinschaft die Nachbarschaft schallte. Durch eine Hausdurchsuchung waren die Ermittler dem Sven W. als Urheber der Schmierereien auf die Spur gekommen. Zum Tatzeitpunkt war er Mitglied der NPD, und diese stellte ihn sogar als Direktkandidaten bei der Landtagswahl im Vorjahr auf. In seiner Einlassung vor dem Amtsgericht bezeichnete er sich als einen - zum damaligen Zeitpunkt - überzeugten Nationalsozialisten.

Inzwischen will W. sich nach eigenen Angaben aber von der rechten Szene gelöst haben. Er erklärte, er sei Ende vergangenen Jahres aus der NPD ausgetreten. Die Staatsanwältin nahm ihm das nicht ab, denn sonst hätte er ja den Namen seines Mittäters preisgeben können, so ihr Argument. Nach der Hausdurchsuchung und nach Abschaltung einer von W. betriebenen Internetseite sind die rechtsgerichteten Aktivitäten in Ratzeburg fast komplett zurückgegangen.

Ermittlungen ziehen sich hin

Dennoch gilt die Region im Südosten Schleswig-Holsteins insgesamt weiterhin als ein auffälliges Betätigungsfeld der rechten Szene. Immer wieder werden beispielsweise Fahrzeuge aus dem Kreisgebiet auch bei Neonazi-Treffen in Grevesmühlen (»Thinghaus«) oder im kleinen Dorf Jamel bei Wismar gesehen, wo mehrere bekannte Neonazis sich gezielt ihren Wohnort gesucht haben.

Im benachbarten Mölln hat es im vergangenen November - kurz vor dem 20. Jahrestag der Brandanschläge von 1992 - ebenfalls Neonazi-Schmierereien gegeben. Gleich an 21 Gebäuden wurde die Losung »Nationaler Sozialismus jetzt - Deutschland braucht Dich« hinterlassen. Die Ermittlungsbehörden tappen allerdings noch im Dunkeln und haben 1500 Euro Belohnung für die Ergreifung der Täter ausgesetzt.

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