Ausgleich für Naturzerstörung
Umweltverbände geben ihren Widerstand schon mal auf, wenn Geld fließt
Hessen gilt nicht gerade als Vorreiter in Sachen Energiewende. In einer Rangliste der Agentur für Erneuerbare Energien belegt das Bundesland den 13. Platz. Gerade hier, so sollte man erwarten, müssten mehr Windkraftanlagen willkommen sein. Doch nun macht ein verbissener Streit von Naturschützern gegen einen Windpark Schlagzeilen. Der Naturschutzbund (NABU) klagte gegen den Betrieb von sieben Windrädern zwischen Fulda und Gießen. Drei der Windkraftanlagen wurden durch 137 Kleinanleger vor Ort realisiert - die Bürgerwind Ulrichstein KG ist eigentlich ein Paradebeispiel für die dezentrale Energiewende. Laut den Zeitungen der DuMont-Verlagsgruppe entschied sich der Betreiber HessenEnergie zu einer Spende von 500 000 Euro an die Stiftung Hessisches Naturerbe. Deren Gelder werden vom NABU verwaltet, im Gegenzug ließ der Verband eine Klage gegen den Windpark fallen.
Seit Juli 2012 standen fünf der Windkraftanlagen in Ulrichstein aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel still. Der NABU begründete sein Vorgehen mit einer Gefährdung von Vögeln durch die Windräder. Der Beschluss war nicht rechtskräftig, aber für den Betreiber bedeutet jeder Tag, an dem kein Strom eingespeist werden kann, herbe Verluste. »Wir konnten es uns einfach nicht leisten, dem Vorschlag des NABU nicht zu entsprechen«, begründete der Geschäftsführer von HessenEnergie, Horst Meixner, die Spende.
Der NABU weist die Vorwürfe zurück und erklärt sein Vorgehen damit, dass Ausgleichszahlungen für den Naturschutz bei Eingriffen völlig normal seien. Tatsächlich sieht das Bundesnaturschutzgesetz solche Maßnahmen vor. Die Idee dabei: Die Auswirkungen eines Bauvorhabens sollen an anderer Stelle kompensiert werden, so dass der Natur insgesamt kein Schaden entsteht. Die Ausgleichsmaßnahmen werden dann häufig von Stiftungen durchgeführt, die von den klagenden Umweltverbänden selbst verwaltet werden.
Ähnlich gelagerte Fälle brachten den Verbänden schon häufiger Kritik ein. So hatten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der WWF mit einer vergleichbaren Vereinbarung eine Klage gegen den Bau der Erdgaspipeline Nord Stream fallengelassen. Als Ausgleich für die Pipeline, mit der Gazprom russisches Erdgas nach Deutschland liefert, flossen zehn Millionen Euro in eine Ostseestiftung. Zwar bekommen die klagenden Umweltverbände von dem Geld selbst nichts, aber sie entscheiden, wofür die Stiftung dieses investiert. Zwei der drei Vorstandsposten in der Stiftung sind von den Umweltverbänden besetzt.
Branchenvertreter der Windindustrie fürchten durch die jetzige Einigung in Hessen einen Präzedenzfall. Johannes Lackmann, Ex-Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energie und zur Zeit Geschäftsführer der Firma Westfalenwind, spricht gar von Schutzgeldern. »Das Verhalten des NABU ist ein krasses Beispiel dafür, dass der Machtanspruch des Verbandes völlig aus dem Ruder läuft«, sagte Lackmann laut dem Bericht.
Die Haltung zur Windkraft ist ein häufiges Streitthema in Naturschutz- und Umweltverbänden. Diese bekennen sich zur Energiewende, aber insbesondere bei Lokalgruppen gibt es oft Widerstände. Im vergangenen Jahr verlor der BUND in Bayern ein prominentes Mitglied: Enoch zu Gutenberg, Dirigent und Vater des früheren Verteidigungsministers. Er warf dem Verband eine zu positive Haltung zu Windkraftanlagen vor.
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