Eine Spur von Nelkenrevolution

Massenprotest in Portugal gegen den Sparkurs der Regierung

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 2 Min.
»Troika und Regierung raus«, »Portugal an die Wahlurnen« und »Wahlen jetzt« lauteten die zentralen Botschaften, die vom massiven Protest in Portugal am Sonnabend ausgingen.

»Die Regierung wurde zurückgetreten«, ist das Resümee der Organisatoren, nachdem nach Angaben der Veranstalter mehr als 1,5 Millionen Menschen am Sonnabend auf die Straßen Portugals gegangen sind. Dem Aufruf der Empörten-Bewegung sind etwa 15 Prozent der gesamten Bevölkerung Landes gefolgt. Sie machten auf mehr als 30 Demonstrationen mit dem Lied der Nelkenrevolution »Grândola Vila Morena« deutlich, dass ihnen der Geduldsfaden gerissen ist.

Um 18 Uhr war der große Augenblick in der Hauptstadt Lissabon gekommen. Auf dem riesigen Platz Terreiro do Paço und in der zum Platz führenden Avenida da Liberdade (Allee der Freiheit) wurden die Fäuste erhoben, die rote Nelken umklammerten. »Grândola, braun gebrannte Stadt, Heimat der Brüderlichkeit. Das Volk ist es, das in dir bestimmt, oh Stadt« sangen Demonstranten aller Altersgruppen. Vielen Teilnehmern traten bei der Erinnerung an die Vorgänge vom 25. April 1974 Tränen in die Augen.

Linke Militärs hatten damals mit der Bevölkerung friedlich die Diktatur gestürzt. Zwischen 500 000 und eine Million Menschen machten allein in der Hauptstadt klar, dass die Zeit reif ist, mit den Vertretern der Gläubigertroika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank, die derzeit im Land die Bücher prüfen, auch die konservative Regierung »zum Teufel zu jagen«.

Auf der Abschlusskundgebung wurde die Regierung von Pedro Passos Coelho zum Rücktritt aufgefordert. Eine neue Generation bereitet sich im Land auf ihre Nelkenrevolution vor. »Den 25. April meines Vaters muss ich jetzt machen«, stand auf einem handbemalten Schild von Isabel Mora. Die 46-Jährige kennt die aktive Rolle ihres Vaters in der Nelkenrevolution. »Er hat viel für die Freiheit Portugals gekämpft.«

Wie Mora meinen viele, dass das Sparprogramm, das Portugal 2011 verordnet wurde, als es 78 Milliarden Euro aus dem EU-Rettungsfonds erhielt, die Verfassung mit Füßen trete. Das Verfassungsgericht kippte bereits diverse Maßnahmen. Am neuen Sparhaushalt zweifelt sogar Staatspräsident Anibal Cavaco Silva. Er hat das Gesetz den Richtern zur Prüfung vorgelegt. Die Troika verlangt dagegen weitere Einsparungen in Höhe von vier Milliarden Euro.

Unterdessen stieg die Arbeitslosigkeit im Februar auf den neuen Rekordwert von 17,6 Prozent. 40 Prozent der jungen Menschen sind ohne Job.

Dem Protest schlossen sich auch die großen Gewerkschaften und die Sozialisten (PS) an. Der PS-Generalsekretär António José Seguro sprach von einer »Verarmung der Bevölkerung«. Militärvereinigungen, die ebenfalls an den Demonstrationen teilnahmen, mahnten Konsequenzen an.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.