Dreckschleuder am Baikal vor Schließung

Umweltfreundliche Modernisierung des Zellulosewerks Betreibern zu aufwendig

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Zellulosewerk am Baikalsee, seit Sowjetzeiten eine der umstrittensten Industrieanlagen der UdSSR, soll nun endgültig geschlossen werden. Dies berichtet die russische Sektion von »Greenpeace«.

Seit einem Brand am 7. Februar in der Halle für Holzspäne, die beim Kochen der Zellulose eingesetzt werden, steht das Zellulosewerk in Baikalsk still. Das 1966 gebaute Zellulosewerk war schon zu Sowjetzeiten umstritten. Einer der ersten, der sich für die Schließung eingesetzt hatte, war der Schriftsteller Valentin Rasputin. Jedes Jahr leitete das Zellulosewerk etliche Millionen Kubikmeter hochgiftiger Industrieabfälle in den See und blies durch seine Schornsteine mehrere Zehntausend Tonnen giftiger Stoffe in die Luft. All das am weltgrößten Süßwasserreservoir, einem See mit mehreren nur hier heimischen Tierarten.

Aus einem Schreiben von Dmitrij Schejbe, Generaldirektor der Firma »WEB-Engineering«, die für den Betrieb des Werkes verantwortlich ist, geht nun hervor, dass eine Prüfung mehrerer Varianten einer umweltfreundlicheren Produktion ergeben habe, dass sich keine davon lohne und die Schließung der Fabrik die einzige sinnvolle Lösung sei. »WEB-Engineering« ist ein Konsortium der russischen Außenhandelsbank »Vneshekonombank«, der Ölfirma VNIPIneft und der kanadischen SNC-Lavalin Group Inc.

Nun sollen neue Arbeitsplätze im Tourismus und anderen umweltverträglichen Wirtschaftsformen entstehen, so dass niemand auf der Straße stehen muss.

Greenpeace Russland begrüßt die Entscheidung, fürchtet jedoch, dass der Schließungsprozess zwei Jahre in Anspruch nehmen könnte. Die in Angarsk unweit des Baikalsees lebende Umweltschützerin Swetlana Slobina freut sich über den Beschluss, erinnert aber gegenüber »nd« an die Schließung von 2008. Zwei Jahre später habe Wladimir Putin den Weiterbetrieb des Werkes verfügt.

Beim Lesen der siebenseitigen Begründung zur Schließung des Werks stellt sich dem Leser unwillkürlich die Frage, warum das nicht schon viel früher geschah. Analyse und Gutachten russischer und internationaler Experten hätten eindeutig gezeigt, so das Schreiben, dass ein Weiterbetrieb die russische Umweltgesetzgebung verletzen würde. Die einzige Möglichkeit, das Werk ohne Umweltbelastung weiterzubetreiben, sei ein geschlossener Wasserkreislauf. Doch dieser lasse sich nicht realisieren. Zudem blieben nach einer Modernisierung nur noch 200 bis 350 Arbeitsplätze von heute 1600.

Auch wenn die Schließung zügig umgesetzt werden sollte, wird das Zellulosewerk noch lange Zeit den Einsatz seiner Belegschaft in Anspruch nehmen. 6,2 Millionen Tonnen hochgiftiger Industrieabfälle müssen entsorgt werden, das Werksgelände saniert und von Ölprodukten gereinigt, das Territorium vor Überschwemmungen gesichert werden.


Lexikon Baikalsee

Der Baikalsee ist ein See in Russland unweit der Grenze zur Mongolei. Mit einer Tiefe von 1642 Metern ist der sibirische See der tiefste Süßwassersee der Erde. Sein Volumen von bis zu 23 000 Kubikkilometern macht den Baikal zum größten Reservoir an flüssigem Süßwasser auf der Erde. Die Entstehung verdankt der See einem Grabenbruch, an dem die eurasische und die amurische Kontinentalplatte auseinanderdriften. 1996 wurde die Baikal-Region von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -