Bargeld für Asylbewerber
Auch Niedersachsen ändert bisherige Regelung
Das repressive und seit Jahren kritisierte Gutscheinsystem für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge ist nun auch in Niedersachsen gekippt worden. Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat es den Städten und Landkreisen im Bundesland per Erlass freigestellt, die Sozialleistungen laut Asylbewerberleistungsgesetz künftig in bar, in Form von Wertgutscheinen oder Sachleistungen auszuzahlen. Damit setzt die neue rot-grüne Landesregierung ein Wahlversprechen um. Bayern und das Saarland sind nunmehr die einzigen Bundesländer, die durchweg Gutscheine an Asylbewerber ausgeben.
Das Innenministerium habe die bislang von Niedersachsen praktizierte Regelung überprüft, nach der eine Bargeldauszahlung vermieden werden sollte, sagte Pistorius. Diese Rechtsauffassung werde nicht weiter aufrecht erhalten. Den bisherigen harten Kurs hatte vor allem Pistorius‘ Amtsvorgänger Uwe Schünemann (CDU) vertreten. Er wollte so erklärtermaßen »Anreize zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise zum Verbleib« vermeiden. Kreise und Kommunen sollten unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten künftig »selbst bestimmen, ob sie anstelle von Sachleistungen oder Wertgutscheinen Bargeld auszahlen«, sagte Pistorius weiter. Damit seien die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen worden, um die Wertgutscheinpraxis zu beenden und durch Bargeldleistungen zu ersetzen.
Mehrere Kommunen haben sich bereits auf die neue Lage eingestellt. Der Landkreis Göttingen kündigte an, die Gutschein-Praxis so schnell wie möglich zu beenden und auf Bargeldauszahlungen umzustellen. Die Stadt Göttingen hatte noch schneller reagiert und bereits die Leistungen für März als Bargeld ausgegeben. In der Stadt Oldenburg sollen Asylbewerber ab dem April keine Gutscheine mehr bekommen.
Flüchtlingen und ihren Unterstützern geht die Ankündigung aus Hannover allerdings nicht weit genug. »Wir hätten uns gewünscht, dass das Land seinem Wunsch, die leidige Wertgutscheinpraxis abzuschaffen, durch deutlichere Vorgaben Nachdruck verliehen hätte«, formuliert Geschäftsführer Kai Weber diplomatisch die Kritik des Niedersächsischen Flüchtlingsrates und verweist auf das weitergehende Beispiel Hessens. Das CDU/FDP-regierte Bundesland habe den Kommunen auferlegt, eine beabsichtigte Abweichung von der Bargeldzahlung zu begründen und eigens eine Zustimmung dafür einzuholen.
Unabhängig von der Entscheidung auf Landesebene will Niedersachsen auch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Bundesebene erreichen. »Hierzu ist der Dialog mit anderen Ländern bereits hergestellt worden und wird fortgesetzt«, so Pistorius.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!