In großen Frankfurter Fußstapfen
Ein »Berliner Kreis« soll künftig SPD-Linke in Bund und Ländern koordinieren
»Progressive Politik lässt sich besser durchsetzen«, twitterte Ralf Stegner am Sonntagabend, »wenn man nicht innerparteiliche Opposition ist, sondern Mehrheiten für Gutes organisiert.« Der SPD-Mann ist Landeschef in Schleswig-Holstein und der Hinweis auf die »innerparteiliche Opposition« meint die Parteilinke. Man könnte es als Kritik verstehen.
Nur ist das so einfach auch nicht: Denn erstens betrachtet sich die SPD-Linke derzeit nicht als erfolglos und zweitens sitzen Sozialdemokraten, die sich als links verstehen, nicht alle in einem Boot, sondern paddeln mal mehr, mal weniger gegen den Strom der Parteispitze. In der Parlamentarischen Linken etwa, in der sich Bundestagsabgeordnete vernetzt haben und die zurückgeht auf den in den 1970er Jahren gegründeten »Leverkusener Kreis«. Daneben arbeitet die »Denkfabrik« in der Fraktion, in der nicht zuletzt Jüngere »zur Stärkung des sozialdemokratischen Profils« der Partei beitragen wollen. Die SPD-Linken im Vorstand koordiniert Stegner, SPD-Linke sind in Arbeitsgemeinschaften und Landesverbänden aktiv - oder in der Redaktion der Zeitschrift »spw«.
Und dann gibt es die DL21, das Forum Demokratische Linke, das sich als Verein aller SPD-Linken versteht; um dessen Kurs es aber auch Kontroversen gibt. Seit Ende 2011 führt die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis die DL21, sie hatte seinerzeit gegen die frühere PDS-Politikerin Angela Marquardt obsiegt, die sich ebenfalls bei der DL21 zur Wahl gestellt hatte. Dies war auch als Kursentscheidung interpretiert worden.
Nun sorgt die Gründung eines »Berliner Kreises« für Aufmerksamkeit. Wer sich die Geschichte der SPD in Erinnerung ruft, erkennt große Fußstapfen: Ende 1966 schufen der spätere Frankfurter Oberbürgermeister Walter Möller und der schleswig-holsteinische SPD-Chef Jochen Steffen den »Frankfurter Kreis«. Darin ging später unter anderem der »Tübinger Kreis« auf, in dem sich Linksintellektuelle wie Peter Conradi trafen. Auch einer der namhaftesten SPD-Linken war beim »Frankfurter« dabei: Peter von Oertzen, der 2005 enttäuscht aus der SPD austrat.
Nun also wieder ein Kreis: Der »Berliner« schickt sich an, so formuliert es Stegner, »all die Aktivitäten« der Parlamentarischen Linken, der DL 21, der Linken im Parteivorstand und anderer »bundesweit zu bündeln«. Besser vernetzt zu mehr Erfolg im Wahljahr, lautet das Motto. Man hört von Sozialdemokraten hinter vorgehaltener Hand aber auch Kritik daran, wie die Bildung des Kreises publik gemacht wurde.
Was daran liegen könnte, dass die »Hausmarke« der SPD-Linken, die DL21, unter den Sprechern des neuen Kreises nicht vertreten ist - neben Stegner sollen die sachsen-anhaltische SPD- und Fraktionschefin Katrin Budde sowie Juso-Chef Sascha Vogt den neuen Kreis nach außen vertreten. Dieser soll zudem, so wird betont, weder die Parlamentarische Linke noch die DL21 ersetzen oder ihnen »vorgesetzt« werden. Dass in dem ersten Bericht über die Existenz des »Berliners« nichts über die inhaltlichen Ambitionen steht, Stegner aber mit den Worten zitiert wird, »in einer SPD-Regierung muss der Berliner Kreis der SPD-Linken personell vertreten sein«, stieß auch nicht überall auf Begeisterung - es klingt nach Posten, weniger nach »progressiver Politik«.
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