Rechtsschutz nach Kassenlage
Die geplante Einschränkung der Prozesskostenhilfe dürfte vor allem Frauen treffen
Die Bundesregierung unternimmt einen neuen Versuch, den Zugang zur Prozesskostenhilfe einzuschränken. Zwar scheinen die ursprünglich geplanten »Bewilligungsgebühren« von 50 Euro, wie sie das damals noch CDU-geführte Baden-Württemberg vorgeschlagen hatte, vom Tisch zu sein. Doch nun haben sich die Rechtsexperten einen neuen Weg ausgedacht. Demnach sollen die Freibeträge gesenkt und der Zeitraum für Ratenzahlungen von 48 auf 72 Monate erhöht werden. Mit anderen Worten: Die Leute sollen mehr und länger zahlen.
Zur Zeit können erhebliche Beträge vom Nettoeinkommen abgesetzt werden, dadurch vermindert sich das für Rechtsanwalts- und Gerichtskosten einsetzbare Einkommen vor allem für Geringverdiener. Nun sollen nach der Aussage von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) »Missbrauchsfälle eingedämmt und Personen, die über ausreichend Vermögen verfügen, aus dem Kreis der Begünstigten ausgeschlossen werden«. Zugleich verspricht der Entwurf, dass der »Zugang zum Recht« allen Bürgern »unabhängig von Einkünften und Vermögen« offen bleibt.
Tatsächlich rechnet das Justizministerium jedoch selbst damit, dass das Gesetz bei einem großen Teil der Antragsteller zu Mehrausgaben führen wird. »Vorsichtig geschätzt« wird bei 126 000 Fällen, die bisher kostenlose Prozesskostenhilfe erhalten haben, erwartet, dass sie nun Raten zahlen müssen. Pro Fall rechnet das Justizministerium hier mit Mehreinnahmen von 300 Euro. Aber auch die Prozesskostenhilfeempfänger, die jetzt schon Raten zahlen, sollen stärker zur Kasse gebeten werden. Betroffen könnten davon weitere 14 000 bereits bewilligte Anträge sein, was pro Antrag 500 Euro mehr für die Justizkassen bringen soll. Außerdem kalkuliert das Justizministerium damit, dass die Absenkung der Freibeträge, »weniger Antragsteller als bisher unter die Ratenzahlungsfreiheit fallen und damit keine Beratungshilfe beanspruchen können.« Damit sollen mindestens fünf Prozent der Antragssteller von der Beratungshilfe ausgeschlossen werden. Konkrete Angaben zu Art und Umfang des angeblichen Missbrauchs werden dagegen kaum genannt.
Wer nimmt die Hilfe in Anspruch? Die Vermögenden leisten sich Anwälte, die für die Prozesskostenhilfe kaum einen Finger krumm machen würden. Die Masse der 715 000 Verfahren, für die der Staat 2011 finanzielle Hilfe gewährte, lief vor den Familiengerichten (483 000). Das waren fünf Prozent mehr als 2007. Bei den Sozialgerichten stieg die Zahl der bewilligten Anträge in diesem Zeitraum um 165 Prozent auf etwa 68 000. Für die linke Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, die diese Zahlen im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage ermittelte, ist klar: »Eine Verschlechterung der Prozesskostenhilfe dürfte vor allem auf Kosten der Frauen stattfinden, die wegen der Kinderbetreuung über Jahre nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig waren.« Etwa die Hälfte der Verfahren sind Scheidungen.
Auch bei der Anhörung im Rechtsausschuss in dieser Woche konnte die Missbrauchsthese nicht belegt werden. Deutlich wurde dort vielmehr, dass die hohe Zahl von Klagen vor Sozialgerichten, für die in der Regel Prozesskostenhilfe gewährt wird, auf schlechte Gesetzgebung und auf Mängel im Verwaltungshandeln der Behörden zurückzuführen sind. Das Gesetz dürfte somit vor allem einen Zweck haben: Wer kein Geld für eine Scheidung oder einen Sozialgerichtsprozess hat, soll mit höheren Kosten abgeschreckt werden, sein Recht durchzusetzen.
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