Protest gegen den »Viktator« dauert an
Verspätete Feiertagskundgebung der Orbán-Gegner in Budapest
Die mit Viktor Orbán und seinem Regime Unzufriedenen versammelten sich wieder einmal unter Schirmherrschaft und Organisation der Bürgerrechtsorganisation Milla (Eine Million für die Pressefreiheit). Weil Milla keine Parteipolitik betreiben will, durften Vertreter von Parteien auch am Sonntag nicht zu den rund 4000 Versammelten sprechen. Stattdessen versuchten namhafte Intellektuelle, die Atmosphäre in der bitteren Kälte aufzuheizen. Dazu gehörte der Philosoph Miklós Gáspár Tamás, der in Ungarn stets TGM genannt wird. Zwar ist Ungarn auf dem Papier eine parlamentarische Demokratie, doch für die oppositionellen Parteien sieht TGM in der Parlamentspolitik keine Zukunft mehr. Nicht nur, dass die Nationalversammlung in der laufenden Legislaturperiode noch keinen einzigen Vorschlag der oppositionellen Seite angenommen oder auch nur berücksichtigt hätte. Oppositionspolitiker werden oft nicht einmal angehört, die Parlamentarier erhalten tausendseitige Gesetzesvorschläge häufig erst eine oder zwei Stunden vor der Abstimmung. Mit den Ausschüssen verhält es sich nicht besser: In Ungarn, einem Land unverhüllter staatlicher Korruption und staatlichen Machtmissbrauchs, gelang es bisher nicht, auch nur einen einzigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Leben zu rufen. Deshalb forderte Tamás die Oppositionsparteien dazu auf, »nicht als Feigenblatt der Tyrannei zu dienen«, sondern dem Parlament den Rücken zu kehren und sich der Bewegung der Straße anzuschließen. Der Ausgang der nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2014 sei nämlich programmiert: Der Sieg einer anderen als der gegenwärtigen Regierungspartei Fidesz (Ungarischer Bürgerbund) sei unmöglich geworden, durch das neue Wahlgesetz sei Wahlbetrug im Voraus legalisiert.
TGM empfahl auch den Bürgern, darüber nachzudenken, ob sie an den nächsten Parlamentswahlen überhaupt teilnehmen. Eine Beteiligung würde seiner Meinung nach nur Orbáns Macht legitimieren. Als Alternativen schlug Tamás die Bildung von Volkskomitees und die Organisation von Streiks und Massendemonstrationen vor. Man könne auch Volksentscheide veranstalten oder von anderen Instrumenten gewaltlosen Widerstands Gebrauch machen.
Die Meinung der Kundgebungsteilnehmer über den Regierungschef war jedenfalls eindeutig: Auf Transparenten wurde Orbán als »Viktator« bezeichnet.
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