»Die Kosten der Energiewende laufen völlig aus dem Ruder«

  • Lesedauer: 4 Min.

Die Energiewende gerät in den Medien immer mehr zum Schreckensszenario: zu teuer, zu unsicher, schlecht für den Standort Deutschland. Vor allem die schwarz-gelbe Koalition bläst zur Jagd, um die von einer Mehrheit gewollte Energiewende schlecht zu machen. Was ist dran an den vielen Mythen, Lügen und Argumenten, mit denen die Öffentlichkeit aktuell bearbeitet wird? Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt den gängigen Behauptungen in einer von Wolfgang Pomrehn verfassten Broschüre Antworten entgegen – was es wirklich auf sich hat mit dem »Armutsrisiko Energiewende?«, lesen Sie hier täglich in einer nd-Reihe.

»Die Kosten laufen völlig aus dem Ruder« (Nordrhein-Westfalens CDU-Vorsitzender Armin Laschet im Focus vom 29.10.2012)

Die Behauptung:

»Allein für die Förderung der Ökostromerzeugung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) müssen die Stromkunden im Jahr 2013 voraussichtlich insgesamt etwa 20,4 Milliarden Euro aufbringen (2012: 14,1 Mrd. Euro, 2011: 13,4 Mrd. Euro, 2010: 8,3 Mrd. Euro)«, so eine Presseerklärung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft vom 15.10.2012.

Die Fakten:

20,4 Milliarden ist reichlich übertrieben. Die Übertragungsnetzbetreiber machten für 2012 Ausgaben von rund 20,07 Milliarden Euro für den EEG-Strom geltend. Davon entfielen etwa 400 Millionen Euro auf Bürokratie- und IT-Kosten rund um die Vermarktung des Stroms. Drei Milliarden Euro flossen in Prämien, die Anlagenbetreiber erhalten, wenn sie ihren Strom selbst vermarkten. Diese Prämien sind von diversen Vertretern der Solar- und Windbranche wie auch Umweltschützern als viel zu hoch kritisiert worden. Der FDP war ihre Einführung jedoch eine Herzensangelegenheit, weil ja angeblich alles am besten und billigsten über den Markt geregelt werden kann.

Tatsächlich für Ökostrom als Vergütung ausgegeben wurden hingegen nur rund 16,6 Milliarden Euro, aber auch dies stellt noch nicht die reale Fördersumme dar. Auf der Einnahmeseite verbuchen die Netzbetreiber nämlich rund 3 Milliarden Euro für den Strom, den sie an der Strombörse in Leipzig weiterverkauft haben. Dementsprechend kostet die Ökostromerzeugung nur 13,6 Milliarden Euro oder, wenn wir die anderen unsinnigen Kosten gelten lassen, 17 statt 20,4 Milliarden Euro. Dieses Geld wird über die EEG-Umlage wieder eingetrieben.

Der Betrag ist allerdings auch deshalb so hoch, weil der Ökostrom an der Börse praktisch verschleudert wird. 2012 betrug sein Preis gerade mal zwischen 4,2 und 4,4 Cent pro Kilowattstunde. Das EEG sieht für die Betreiber der Übertragungsnetze keine Anreize vor, den Strom teurer zu verkaufen. Sie bekommen die Differenz zu ihren Ausgaben ja auf jeden Fall vom Staat aus der EEG-Umlage ersetzt. Tatsächlich sind die Börsenpreise wegen der großen Mengen an Solarstrom, der vor allem dann erzeugt wird, wenn auch die Nachfrage am höchsten ist, in den letzten beiden Jahren um 10 bis 20 Prozent gesunken. Dadurch ist die Differenz zu den Vergütungen, also auch die Umlage größer geworden.

Wer also meint, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, sollte erst einmal an diesen unsinnigen Marktmechanismen etwas ändern. Ansonsten ist festzuhalten: Zum einen sind die Vergütungssätze
für neue Solaranlagen inzwischen stark gefallen. Zum anderen wird es so oder so zum Bau von neuen Kraftwerken in Deutschland kommen. Die meisten sind nämlich 30 Jahre oder älter und müssen daher in diesem oder im nächsten Jahrzehnt ersetzt werden. Die hierfür bis 2030 benötigten Investitionen belaufen sich auf etliche Dutzend Milliarden Euro, auch wenn statt Windrädern und Solaranlagen neue Kohlekraftwerke gebaut würden. Und selbstverständlich würden auch diese Kosten über die Stromrechnungen eingetrieben.

Am 23. März findet in Hamburg die Konferenz »Energie für alle« statt. Zu der Tagung, an der Linken-Politiker, Umweltexperten und Energie-Aktivisten teilnehmen, haben die Linke im Europaparlament und der Hamburger Landesverband eingeladen. Die von Wolfgang Pomrehn verfasste Broschüre »Armutsrisiko Energiewende?« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!