Urteil stärkt Rechte der Gaskunden
Energiekonzern RWE muss weitere Niederlage gegen Verbraucherschützer einstecken
Seit 2006 kämpft die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bereits gegen ihrer Meinung nach unzulässige Preiserhöhungen des Energieversorgers RWE. Am Donnerstag gab ihr der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einigen Punkten recht. Er entschied aber, dass es Sache der nationalen Gerichte sei, im Einzelfall darüber zu entscheiden, ob »einseitige Preiserhöhungen« zulässig sind.
Im vorliegenden Fall muss der Bundesgerichtshof (BGH) abschließend urteilen, ob die 25 Gaskunden, die die Verbraucherzentrale vertritt, für vier Preisanhebungen in den Jahren 2003 bis 2005 Geld zurück bekommen. Es handelt sich um insgesamt 16 129 Euro. Laut den Verbraucherschützern stehen aber noch rund 400 weitere Forderungen von Kunden im Raum, die auch von der Sonderklausel betroffen sind.
Die betrifft fast alle Kunden, die mit Gas heizen. Wer nicht weiß, ob er zu dieser Gruppe gehört, sollte im Vertrag nach Begriffen wie »Sonder-Vertrag, -Preis oder -Tarif« suchen, so die Verbraucherzentrale NRW. Kleinkunden, die mit Gas nur den Herd betreiben, unterliegen dagegen dem Standardtarif, für den Preiserhöhungen gesetzlich geregelt sind. So kann der Energieversorger sie relativ leicht durchsetzen, Kunden haben dabei aber ein Kündigungsrecht. RWE hatte die Regeln für Standardkunden auf die Sondervertragskunden übertragen, was Kunden und die Verbraucherzentrale für unzulässig halten. RWE dagegen vertritt die Ansicht, dass die strittige Klausel nicht missbräuchlich sein könne, da sie auf deutsche Regelungen Bezug nehme.
Das EuGH widersprach: Demnach unterliegen Klauseln der Missbrauchskontrolle, »wenn die Rechtsvorschriften, die sie aufgreifen, nur für eine andere Vertragskategorie« - in dem Fall die Standardverträge - gelten.
Ob Sonderklauseln generell rechtswidrig sind, entschied der EuGH nicht. Nationale Gerichte müssten prüfen, ob Anlass und Art der Preisanhebung für den Verbraucher verständlich dargestellt seien und ob Kunden Kündigungsmöglichkeiten auch nutzen könnten, so das Luxemburger Gericht.
Verbraucherschützer sehen das Urteil als Erfolg. »Der EuGH hat uns heute voll und ganz bestätigt und damit die Rechte der Energiekunden erheblich gestärkt«, sagte Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Zuvor hatten bereits des Landgericht Dortmund und das Oberlandesgericht Hamm im Sinne der Verbraucherschützer entschieden.
Allerdings bekommen nur jene Verbraucher Geld zurück, die gegen die Jahresabrechnung Widerspruch eingelegt hatten. Da die Frist dafür drei Jahre beträgt, ist laut den Verbraucherschützern Einspruch nur noch gegen Rechnungen möglich, die Kunden ab April 2010 bekommen haben.
Das Urteil gilt auch für Altverträge. Bundesregierung und RWE hatten dagegen beantragt, es auf künftige Preiserhöhungen zu begrenzen, um die finanziellen Folgen möglichst gering zu halten.
Der Energiekonzern wollte sich am Donnerstag nicht zu möglichen Folgen des Urteils äußern. Der Sprecher der RWE Vertrieb AG, Klaus Schultebraucks, sagte gegenüber »nd«, das Unternehmen habe sich immer an die Vertragsklauseln und die höchstrichterliche Rechtsprechung gehalten. Man warte nun das BGH-Urteil ab.
Die Verbraucherzentrale bot dem Konzern unterdessen an, in Verhandlungen über die Rückzahlung unberechtigter Preiserhöhungen einzutreten.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.