Osborne fiedelt, Britannien brennt

Finanzminister der Konservativen düpiert das Wahlvolk

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Fehlkalkulationen am laufenden Band, unaufhaltsam steigende Defizite und öffentliche Schulden, ein aufgeblähter Bankensektor, aber verkümmernde Industrie, ein Touristenmagnet und Zufluchtsort für russische Oligarchen - die unglückliche Insel, um die es hier geht, heißt nicht Zypern, sondern Großbritannien.

Der unfähigste Finanzminister Europas treibt in der Hauptstadt der Insel sein Unwesen. Die Niete in Nadelstreifen, die seit 2010 die Finanzen ruiniert, ist der konservative Millionärssohn George Osborne. Dass das Land sich einer beispiellosen dreifachen Rezession nähert, kann auf seine Austeritätspolitik zurückgeführt werden.

Wenn Arme und Arbeitslose, Rentner und Kranke durch Sozialkürzungen nichts auszugeben haben, entsteht keine Nachfrage. Schüler und Studenten, eine knappe Million arbeitsloser Jugendlicher gehören ebenfalls zu den Opfern des Klassenkampfs von oben.

Gutverdiener wie er und Premier David Cameron freuen sich über die Kürzung der Reichensteuer, die ab April von 50 auf 45 Prozent sinkt. »Wir sitzen alle im selben Boot«, versuchte Cameron den Wählern anfangs weiszumachen; in letzter Zeit ist jedoch der Schleier zerrissen. Das Schiff fährt auf den Eisberg zu, aber der Kapitän und sein Erster Offizier machen sich im Beiboot davon.

Da konnte Osborne seine Haushaltsrede mit allerlei Schnickschnack auffüllen. Biertrinker freuen sich auf eine geringfügig reduzierte Steuer, die eher von den Großbrauereien eingesackt als an die Verbraucher weitergegeben werden dürfte. Der Häuserkauf soll subventioniert werden, damit eine neue Besitzerklasse sich im Kapitalismus breitmachen kann; die Hoffnung auf neue Wähler stirbt zuletzt. Keine Herdprämie, sondern im Gegenteil eine Subvention für arbeitende Elternpaare: Das hört sich wegen der teuren Kinderbetreuung vernünftig an, gilt aber auch für Familieneinkommen bis sagenhafte 350 000 Euro im Jahr. »Eine Haushaltsrede für konservative Wähler«, überschrieb Aditya Chakrabortty seine Kolumne im linksliberalen »Guardian«.

Das Problem liegt auch bei Osbornes Unterlassungen. Die Sozialkürzungen gehen weiter, neue Jobs sind nicht in Sicht, die Arbeitslosenzahl stieg auf 2,52 Millionen. Eine Arbeitslose aus Arnold bei Nottingham fragte im Fernsehen den Finanzstaatssekretär Danny Alexander, ob sie sich aufs Betteln verlegen solle, die Frage schien nicht nur rhetorisch gemeint. Direkte Steuern runter, aber indirekte rauf, um einen höheren Prozentsatz. Auch der Mittelstand merkt im Portemonnaie, dass die Kürzungspolitik einem Kätzchen gleicht, das den eigenen Schwanz jagt.

Osbornes Ausflüchte hören sich immer abenteuerlicher an. Zuerst haben seine Labour-Vorgänger angeblich die Staatsfinanzen zerrüttet: Tatsächlich waren es die von Tories wie Labour verhätschelten Bankiers, die das Defizit aufhäuften. Als die Erinnerung an Labour verblasste, waren die bösen Europäer mit ihrer gemeinsamen Währung schuld: Merkozy und Brüssel, italienische Clowns und teutonische Besserwisser.

Als Rom brannte, stieg Kaiser Nero aufs Dach seines Palastes und fiedelte vergnügt. Ähnliches hat Osborne versucht. Grausam wie der Tyrann ist der Minister schon, in puncto erwiesener Unfähigkeit halten sie sich die Waage. Auch Cameron denkt nur an taktische Rezepte: Eine Volksabstimmung über den EU-Verbleib soll den Zorn auf einen anderen Sündenbock lenken. Niemand würde doch den Klassenstreber Ed Miliband wählen, oder? So hoffen die Tories. Nach den Umfragen, die einen klaren Labour-Vorsprung prophezeien, wohl vergebens.

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