Postraub 2.0
Der Hacker »Guccifer« veröffentlicht regelmäßig E-Mails wichtiger US-Politiker
Ein kräftiger Rücken. Ein kalter Wasserstrahl. Nachdenkliche Augen im Rasierspiegel. Der Mann unter der Dusche ist George W. Bush. Der Schöpfer des Gemäldes: er selbst. Die bescheidenen Malversuche des einst mächtigsten Mannes der Welt gehören zu den weniger politischen Veröffentlichungen in einer Reihe von spektakulären Hacks der US-Politikprominenz.
»Guccifer« nennt sich der Aktivist, der seit Februar dieses Jahres scheinbar mühelos Zugang zu privaten Postfächern von Stabschefs, ehemaligen Außenministern und Präsidenten erhält. Im Februar veröffentlichte er die ersten E-Mails der Bush-Schwester Dorothy Bush Koch. Private Fotos vom kranken Präsidentenvater und den Code für George W. Bushs Garagentor fand man dort. Zuletzt folgten Gesprächsprotokolle aus dem Facebook-Account des ehemaligen Außenministers Colin Powell über die Aufnahme des früheren britischen Premiers Tony Blair in einen exklusiven Milliardärsclub.
Doch auch brisantere Inhalte finden sich in den Dokumenten, die vor allem vom russischen Auslandssender Russia Today veröffentlichte wurden. In Comic-Schrift und auf rosa Briefpapier gibt »Guccifer« Einblick in vertrauliche Memos der US-Nahostpolitik. Schon wenige Stunden nach dem Angriff auf ein USA-Konsulat im libyschen Benghasi im September vergangenen Jahres wird da Hillary Clinton über den Tod des Botschafters Chris Stevens informiert. Der Vorfall, so erfährt sie fälschlicherweise, sei eine Reaktion auf den islamfeindlichen Schmähfilm »The Innocence of Muslims«. In Wahrheit, so stellte sich später heraus, hatte eine Al-Qaida-nahe Gruppe den Angriff über Monate geplant. Die Fehlinformation führte zu harten politischen Kontroversen, in deren Folge schließlich UN-Botschafterin Susan Rice die Verantwortung über- und ihre Bewerbung um die Nachfolge Hillary Clintons zurücknahm. Vier Monate später, zur Zeit des Geiseldramas am algerischen Gasfeld »In Amenas«, meldete sich ein Berater des Weißen Hauses bei Clinton. Hinter beiden Angriffen steckten wohl die selben Finanziers: »wohlhabende sunnitischen Islamisten in Saudi-Arabien«. »Absolute Geheimhaltung« sei darüber zu wahren.
Doch so spannend der Blick hinter die Kulissen US-des amerikanischen Politikbetriebs ist, sensationelle Enthüllungen wie in den WikiLeaks-Depeschen finden sich nicht. Sensationell ist stattdessen die Selbstinszenierung Guccifers. Während FBI und Secret Service laut CNN »ihre besten Männer auf ihn ansetzten«, gibt er Interviews. »Ich hab da noch eine alte Geschichte zu laufen mit den verdammten Bastarden«, erklärte er seine Motive gegenüber der Website »The Smoking Gun«. Selbstsicher kündigt er dort weitere Hacks an: UN-Beamte, FBI-Agenten und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums stünden auf der Liste.
Das wirklich Interessante an dem Fall seien die »Sicherheitsprobleme« angesichts von »Außenministern, die vertrauliche Kommunikation über frei zugängliche E-Mail-Anbieter« verschicken, kommentiert auch der Experte für IT-Sicherheit Michael Sutton für »USA Today«. Tatsächlich haben fast alle Fälle eines gemein: Kein einziges Mal hackte »Guccifer« einen offiziellen Account, fast immer waren es private E-Mail-Adressen des Anbieters AOL. Der gilt aufgrund niedriger Sicherheitsstandards seit Jahren als Hacker-Paradies.
Zu dem Fall kurzfristig äußern konnte man sich bei AOL nicht. Stattdessen gibt die Computerstimme an der Kundenhotline für Fragen der E-Mail-Sicherheit eine bedenkliche Auskunft: »Dieser Service ist zurzeit nicht mehr verfügbar.« Schlechte Zeiten für US-Politiker.
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