Empörung allein reicht nicht
Schärfere Strafverfolgung bei Steuerhinterziehung gefordert
Die Aufdeckung von Schwarzgeld in der Schweiz durch gekaufte Steuer-CDs hat dem Land Nordrhein-Westfalen bisher mehr als 640 Millionen Euro eingebracht. Rund 370 Millionen Euro stammten aus Selbstanzeigen. Dieser Weg ist auch nach dem jüngsten Leck in Steueroasen wahrscheinlich, denn das Internationalen Konsortiums für investigative Journalisten hat angekündigt, die Daten nicht komplett zu veröffentlichen. Im Gegensatz zum Whistleblower-Projekt WikiLeaks versuche man, »Quellenschutz nach vorn zu stellen«, sagte ein Vertreter gegenüber dem »Spiegel«. Bleibt also der Weg, die Daten angeblich hunderter deutscher Kontoinhaber direkt an die Behörden zu geben. Ein Vorschlag, der vom Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bis zu linken Gruppen zu hören ist. Oder die Steuerfahnder warten auf weitere - bereits angekündigte - Veröffentlichungen.
Jenseits konkreter Strafverfolgung, für die momentan noch zu wenig Anhaltspunkte vorliegen, wird erneut über konsequentere Strafverfolgungsmöglichkeiten debattiert. So will auch das Bundesfinanzministerium härter gegen Nutznießer von Steueroasen vorgehen. »Wir brauchen in Deutschland ein FBI gegen internationale Steuerhinterziehung«, sagte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) im ZDF-Morgenmagazin. Noch vor einem Monat hat die Regierung diese Forderung ignoriert, als sie von Seiten der Linksfraktion in den Bundestag eingebracht wurde. »Die Reaktion im Bundestag war, dass man offensichtlich keine Lust darauf hat«, sagte der LINKE-Bundestagsabgeordnete Frank Tempel.
Die Grünen kritisieren, die Bundesregierung habe »vor der internationalen Steuer-Mafia kapituliert«. Einerseits zeige sie »empört mit dem Finger auf Steueroasen«, so Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin. »Gleichzeitig schließt sie ein windelweiches Steuerabkommen mit Liechtenstein. Mit solchen Staaten macht man nicht gemeinsame Sache, sondern zwingt sie zur völligen Transparenz.« Er verwies auf Frankreich, die eine Steuer auf Zahlungen in Steueroasen erheben und die USA, die Banken zur Weitergabe aller Kundendaten zwingen.
Jenseits möglicher Maßnahmen der Bundesregierung hofft der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Gigold, auf internationale Vereinbarungen wie die zuletzt von den USA angestoßene FATCA-Initiative. FATCA zwingt faktisch alle in den USA aktiven Finanzinstitutionen, automatisch ihnen bekannte Informationen über US-Steuerzahler an die Behörde zu übermitteln. Das gilt auch für Aktivitäten, die außerhalb der USA zum Beispiel durch Tochter- oder Muttergesellschaften der Banken getätigt werden. Damit die übermittelten Daten vollständig und umfassend sind, schreibt FATCA den Finanzinstitutionen außerdem vor, Eigentumsverhältnisse in Firmen und Stiftungen zu ermitteln.
Automatischer Informationsaustausch ist das einzige Mittel, Steuerhinterziehern international das Handwerk zu legen», erklärte Gigold. Die Bundesregierung müsse handeln: «Auf Anonymitätsabkommen zu setzen, wie zuletzt der Versuch mit der Schweiz, war der falsche Weg. Finanzminister Schäuble ist damit den Amerikanern in den Rücken gefallen und hat damit wichtige Zeit ungenutzt verstreichen lassen. Für ein Finanzsystem, das den Steuerregeln der Länder gerecht wird, brauchen wir jetzt ein europäisches FATCA.»«
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