Das Bankgeheimnis wackelt
Österreichs Regierung möchte über Informationsaustausch mit EU-Staaten verhandeln
Erst die Zypern-Krise, dann Offshore-Leaks: Die letzten Bastionen der Bankgeheimniskrämerei in Europa wirken wie gallische Dörfer, denen der Zaubertrank ausgegangen ist. Nachdem Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden in der Frage des bislang verweigerten automatischen Informationsaustausches (AIA) der Steuerbehörden einen Kurswechsel andeutete, will sich nun Österreich anschließen: »Jawohl, wir verhandeln«, kündigte Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann am Dienstag nach einem Treffen des Ministerrates in Wien an. »Wir werden die Verhandlungen gemeinsam mit Luxemburg führen.«
In den Tagen zuvor hatte vor allem der konservative Koalitionspartner ÖVP auf der Beibehaltung des strikten Bankgeheimnisses beharrt. Doch aus der Sozialdemokratie gab es frühzeitig Widerspruch: Oberösterreichs Landesschef Josef Ackerl, ein prominenter Vertreter des linken Parteiflügels, schoss sich am Wochenende auf Finanzministerin Maria Fekter von der ÖVP ein. Diese »schützt Steuerdiebe, verfolgt stur ihren Kurs für Banken und Kapitalmärkte und gefährdet so den sozialen Frieden und die Stabilität in ganz Europa«, empörte sich Ackerl. Auch für den roten Arbeiterkammer-Präsidenten Rudolf Kaske ist die Lockerung des Bankgeheimnisses »durchaus vorstellbar«. Für ausländische Kunden heimischer Banken werde es »über kurz oder lang sicher eine europäische Lösung geben«.
Für die Länder der Europäischen Union ist seit Juli 2005 die EU-Zinssteuerrichtlinie verbindlich. Diese regelt den Umgang mit zu versteuernden Kapitaleinnahmen von Bürgern aus anderen EU-Ländern. Ziel der Richtlinie ist eine effektive und gleichmäßige Besteuerung von Zinserträgen aller Bürger, unabhängig davon, wo die Einnahmen erwirtschaftet werden. Bei der Umsetzung gibt es zwei Möglichkeiten: Der Kapitalanlagestaat informiert den Wohnsitzstaat über die Höhe der Zinseinnahmen des Anlegers. Oder er erhebt eine anonyme Quellensteuer und führt drei Viertel der Einnahmen an den Wohnsitzstaat ab. Die Quellensteuer betrug anfangs 15 Prozent und beläuft sich seit Juli 2011 auf 35 Prozent. Alle Staaten mit Ausnahme Belgiens, Luxemburgs und Österreichs führten 2005 den Informationsaustausch ein. Belgien ging im Jahr 2010 dazu über. nd
Und so sieht nun auch der Kompromiss der Regierung aus. Das Bankgeheimnis soll nur für ausländische Kunden fallen. Es gehe keinesfalls um die Kontodaten der heimischen Sparer in Österreich, erklärte ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger.
Ein Einlenken Wiens, wenn mit Luxemburg der einzige Verbündete auf dem Rückzug ist, stand für Wirtschaftsexperten außer Frage. Man könne den »Übergang zum AIA verzögern, aber vermutlich nicht mehr verhindern«, so Christian Keuschnig, Chef des Institutes für Höhere Studien. Auch der Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Karl Aiginger, ist überzeugt, dass das Bankgeheimnis im Kontext zahlreicher Skandale der letzten Jahre schon aus Imagegründen nicht zu halten sei. Die Praxis des Bankgeheimnisses habe dazu beigetragen, dass Korruptionsfälle und Steuerflucht meist gar nicht oder lange nicht aufgedeckt wurden.
Die ÖVP will indes weiter als Schutzpatronin der österreichischen Sparer im Superwahljahr punkten. Das Bankgeheimnis braucht der Kleinsparer zwar nicht unbedingt, es hat aber wie die Neutralität den Status einer Heiligen Kuh. Wer sie schlachtet, geht ein Risiko ein. Aber auch das anonyme Sparbuch galt einst als Heilige Kuh - und ist seit 13 Jahren tot, weil die Geldwäschebekämpfer in EU und OECD Druck machten. Und jetzt ist der Druck eher noch höher.
Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerks Attac errichteten am Dienstag vor dem Ministerrat eine aufblasbare Steueroase, um die Abschaffung des Bankgeheimnisses zu fordern. Laut Nationalbank lagerten 35 Milliarden Euro aus der EU auf österreichischen Konten, das Aufkommen aus der Quellensteuer betrage aber nur 89 Millionen Euro. »Daraus lässt sich leicht ablesen, dass ausländische Kapitalerträge in Österreich kaum besteuert werden«, erklärte David Walch von Attac Österreich.
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