Rutschbahn in den totalen Krieg

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ansage des Pentagons, US-Soldatinnen künftig die Teilnahme an Kampfeinsätzen von Bodentruppen in vorderster Front zu erlauben, ist weithin begrüßt und als Beleg für mehr Gleichberechtigung gewertet worden. Für mich fühlt sich das falsch an, und die Tatsache, dass die heutigen Kriege die Unterschiede zwischen Front und Hinterland längst verwischen, ändert daran wenig. Soll der Grad der Emanzipation daran abzulesen sein, ob Frauen in der ersten Reihe killen und fallen? Mehr Gleichstellung durch geschlechter-totalen Krieg? Der Gedanke wird auch dadurch nicht sympathischer, dass Barack Obama in ihm einen »milestone for equality« sieht.

Erfreulich ist, dass der Beschluss den Gleichberechtigungsgedanken bemühen musste. Nur: Warum gerade beim Krieg? Es gibt nützlichere Felder, um der Égalité eine Bresche zu schlagen: Das neue Parlament in Washington etwa meldet einen Rekordanteil an Frauen. Doch selbst das historische Hoch bleibt ein Mangelbefund. Von 100 Senatoren sind 20 Frauen, von 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus 81 weiblich - der Frauenanteil also beträgt 20 Prozent oder weniger. Bei der Quote in Führungspositionen der Wirtschaft sieht es nicht besser aus, so wie querbeet in der Gesellschaft gleicher Lohn für gleiche Arbeit für viele Frauen ein frommer Wunsch mit wenig Aussicht auf Erfüllung ist.

Frauen hatten in Kriegen immer ihren Platz. An Feldherrinnen jedoch ist die Geschichte trotz Jeanne d’Arc oder Königin Elizabeth I. arm. Umso reicher ist sie an Frauen, die verschleppt, verwitwet und vergewaltigt wurden. Bisweilen wurden Weiber zu Hyänen oder Flintenweibern, doch wenn es ein Geschlecht gab, das in und nach Kriegen besonders leidensfähig und zupackend war, dann (Trümmer-)Frauen.

In anderen Ländern dürfen Frauen ebenfalls prinzipiell an vorderster Front kämpfen, in der Bundeswehr seit 2001, in Frankreich oder Russland, in Israel mit seiner Totalwehrpflicht, wo 51 Prozent der Offiziere weiblich sind, sowieso. Aber in kämpfenden Einheiten ist der Frauenanteil auch in diesen Ländern sehr klein. Offenbar, weil eine historisch gewachsene Zurückhaltung, ein bremsendes Element auf der Rutschbahn in den totalen Krieg wirkt.

Auch vor solchem Hintergrund kommt wenig Freude auf über die jetzige, mit Gleichberechtigungsgirlanden geschmückte Schleusenöffnung für weibliche Militärs in den USA, der mit Riesenabstand größten Militärmacht der Erde. Der Entscheid passt vielmehr zur laufenden Debatte um die Waffenvernarrtheit des Landes. Die Weigerung, sich von mehr Schusswaffen in Privathand zu trennen, als die USA Einwohner haben, erfolgt im Gleichschritt mit der Auflassung, Frauen Gleichberechtigungsgewinne durch direkten Zugang zum Töten zu verschaffen.

Wie nobel die Absichten auch sein mögen, eine Ausweitung der Kampfzone auf das Geschlecht, das sehr viel weniger Amokläufe und Morde als Männer begeht, ist kein Beitrag zur Bekämpfung von Sexismus, eher ein Impuls zur geschlechterübergreifenden Verrohung der Gesellschaft. Als vor 40 Jahren die ersten Frauen ins US-Militär drängten, trieb Vorgesetzte die Frage um, was tun mit weinenden Soldatinnen und wohin mit dem Haar unterm Helm. Vier Jahrzehnte später, seit in Irak und Afghanistan 280 000 Soldatinnen stationiert waren und über 150 getötet wurden, steht die Frage, ob Frauen in vorderster Linie nur bei kämpfenden Bodentruppen oder auch in Spezialkommandos eingesetzt werden sollten.

Liegt darin ein Gewinn an Gleichberechtigung oder bloß ein Zuwachs an Perversion? Der Vier-Sterne-General im Ruhestand Volney Warner (86), der einst die Integration der ersten Soldatinnen beaufsichtigte und eines seiner acht Enkel, Laura Walker (24), 2005 im afghanischen Feld an eine Straßenbombe verlor, nennt für seine Ablehnung von Frauen in vorderster Front die Überzeugung, »dass Frauen besser sind, Leben zu geben, als Leben zu nehmen«. Und die Kolumnistin Kathleen Parker (61) schreibt: Gewiss ist es möglich, Soldaten durch Drill dazu zu bringen, sich im Gefecht nicht von Schreien ihrer weiblichen Kameraden ablenken zu lassen, »nur: Ist das die Gesellschaft, die wir anstreben?«

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