Schachklub hinter Gittern

Seit mehr als 60 Jahren organisieren sich Gefangene in Straubing

  • Carl van den Hul
  • Lesedauer: 3 Min.

In einem niederbayerischen Hochsicherheits-Gefängnis frönen rund 200 Inhaftierte regelmäßig dem gepflegten Schachspiel – seit 25 Jahren sogar mit eigenem Team im Bayerischen Schachbund. Selbst Großmeister kommen in den Knast zum geistigen Kräftemessen.

Eine Gruppe »schwerer Jungs« in der niederbayerischen Justizvollzugsanstalt Straubing geht einem unerwarteten Hobby nach: Die »Knackis« treffen sich regelmäßig zum kultivierten Schachspiel auf hohem Niveau. Das Team der JVA-Straubing spielt seit gut 25 Jahren ganz regulär und erfolgreich in der niederbayerischen Bezirksliga-West des Bayerischen Schachbundes. Bei Turnieren genießen die Brett-Strategen hinter Gitter sogar einen kleinen »Vorteil«: Sie haben immer ein »Heimspiel«.

Seit 60 Jahren gehört eines der anspruchsvollsten Brettspiele zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten in einer von Deutschlands am schwersten gesicherten Haftanstalten: Rund ein Viertel der 800 »Knackis« in Straubing trifft sich regelmäßig zum konzentrierten Schachspiel, statt an der Hantel-Bank - darunter einige Spieler mit lebenslangen Haftstrafen.

Ein schachbegeisterter Mitarbeiter der JVA-Straubing gründete schon 1952 Deutschlands ersten Schachklub hinter »Schwedischen Gardinen« – eine kleine Revolution im Zuchthaus-Betrieb der damaligen Zeit, als »Resozialisierung« noch ein Fremdwort war. »Erst nach Rücksprache mit dem Justizministerium startete die Schach-Gruppe«, erinnert sich ein Mitarbeiter des Pädagogischen Dienstes der JVA-Straubing.

Dann jedoch mit ungeahntem Erfolg: Auf Anhieb meldeten sich über 100 Häftlinge für die »Strategie-Schlacht« am Schachbrett. Sechzig Jahre später sind es rund doppelt so viele, die 25 Besten unter ihnen spielen sogar im Liga-Betrieb des Bayerischen Schachbundes. Selbst Anfänger werden in Straubing hinter Gitter zu Schach-Strategen - die meisten Insassen haben schließlich lange Zeit zum Lernen.

Ein Vater des »Schach-Booms« in der JVA-Straubing: Der ehrenamtliche Schach-Lehrer Max Holzmann, Sohn des Gründers der »Schach-Gruppe hinter Gittern«. Schon vor gut 25 Jahren sorgte Holzmann für die Zulassung »seiner Jungs« in der Kreisliga des Niederbayerischen Schachbundes. Nur sieben Jahre später spielten die »klugen Knackis« schon in der Bezirksliga, wo sie sich bis heute als wohl einziges »Gefängnis-Team« in einer regulären Schach-Liga halten.

Auf eine Ausnahme sind die Brett-Strategen aus dem »Bau« allerdings angewiesen: Alle ihre Gegner müssen auf ihr »Heimrecht« verzichten. Zum Liga-Match mit dem JVA-Team geht es für Niederbayerns Schachklubs erst mal durch die Sicherheitsschleuse. Dann zählen auch hinter Gitter nur noch kluge Schachzüge.

Die Schach-Kompetenz der »schweren Jungs« aus Straubing fordert sogar Großmeister des beliebten Brettspiels heraus: Regelmäßig geben sich deutsche Schach-Koryphäen im Straubinger Knast die Ehre beim »Simultan-Spiel« gegen zahlreiche Insassen - darunter zuletzt auch Schach-Bundestrainer Uwe Bönsch und der Berliner Großmeister Robert Rabiega, dem sogar drei von 47 JVA-Spielern ein Remis abrangen.

Neben dem Training und internen Anstaltsmeisterschaften bringen die schachspielenden »Knackis« ihre klügsten Züge auch noch regelmäßig zu Papier: »Die kleine Schachpost« erscheint seit 50 Jahren bundesweit einmal im Monat als wohl einzige Fachzeitzeitschrift aus dem »Bau«.

Der »Knast-Schach«-Pionier Max Holzmann ist für sein außergewöhnliches Engagement in der JVA-Straubing bereits 1988 vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit der goldenen Verdienstmedaille des Bundesverdienstordens ausgezeichnet worden. Heute gibt Holzmann mit mittlerweile 85 Jahren noch immer jede Woche seinen Schach-Kurs hinter Gittern – in 60 Jahren ist er bisher nur zweimal ausgefallen.

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