Werbung

Spar- oder Wachstumsplan?

Spanien legt neues Programm auf - Einzelheiten bleiben aber unklar

  • Ralf Streck, Madrid
  • Lesedauer: 3 Min.
Die spanische Regierung versucht einen Befreiungsschlag angesichts des Rekorddefizits und der Rekordarbeitslosigkeit im Eurokrisenland.

Die Lage ist ernst für die spanische Regierung, denn national und international sinkt das Vertrauen in sie weiter. Mit einem angeblichen »Reformplan« versucht Ministerpräsident Mariano Rajoy der Lage im Land zu begegnen, die sich seit dem Wahlsieg seiner rechten Volkspartei (PP) im November 2011 weiter verschlechtert hat. Die Regierung musste am Freitag einräumen, dass die Wirtschaft 2013 etwa drei Mal so stark schrumpfen wird wie die bisher von Madrid prognostizierten 0,5 Prozent. Diese Zahl war bereits vorher von Beobachtern bezweifelt worden. Damit gerät der spanische Haushalt wie erwartet aus den Fugen, weil zu hohe Einnahmen und zu niedrige Ausgaben veranschlagt wurden.

Sogar die konservative Wirtschaftszeitung »El Economista« spricht angesichts der vorgestellten Sparpläne von »Theater«, weil Rajoy dabei vor allem längst angekündigte Maßnahmen erneut verkündete. So sollen Firmen schon bald keine Umsatzsteuer von Rechnungen mehr abführen müssen, die noch nicht bezahlt sind. Doch damit fallen weitere Steuereinnahmen weg. Wie diese ausgeglichen werden sollen, ließ Rajoy offen. Und es ist in vielen Fällen die öffentliche Hand, die Rechnungen teils jahrelang nicht bezahlt. Viele Firmen wurden so vom Staat in die Pleite getrieben.

Neu angekündigt wurde eine Evaluierung der Arbeitsmarktreform. Die Auswirkungen letzterer hat das Statistikamt aber gerade aufgezeigt: Nie zuvor waren in Spanien so viele Menschen arbeitslos. 27,2 Prozent der Gesamtbevölkerung sind ohne Job, das sind 6,2 Millionen Menschen. Noch schlimmer ist die Situation bei den Jüngeren: Fast 60 Prozent aller Jugendlichen sind inzwischen erwerbslos. Fast eine Million Stellen gingen verloren, seit der Kündigungsschutz praktisch geschleift und Abfindungen deutlich gesenkt wurden. Die versprochene Beschäftigungswirkung blieb aus. Erneut vertröstete Vize-Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría »auf kommende Jahre«.

Ähnlich fällt die Bilanz beim Abbau des Haushaltsdefizits über den strikten Sparkurs aus, an dem festgehalten werden soll. Am Montag meldete die europäische Statistikbehörde Eurostat, 2012 sei das Defizit auf 10,6 Prozent gestiegen. Obwohl Rajoy bei der EU-Kommission schon zwei Mal eine Anpassung des Defizitziels nach oben erreicht hatte, fiel es fast doppelt so hoch wie versprochen aus. Nun kann er nicht länger die sozialistischen Vorgänger verantwortlich machen, denn die hatten es 2011 auf 9,4 Prozent gesenkt.

Die EU-Kommission hat von Spanien glaubwürdige Maßnahmen gegen »exzessive Fehlentwicklungen« gefordert. Im Gegenzug soll das Defizitziel erneut angehoben werden und Spanien bis 2016 Zeit bekommen, um die Stabilitätsmarke von drei Prozent einzuhalten. Eigentlich sollte das Defizit 2013 auf 4,5 Prozent sinken. Nun stellt Brüssel eine Erhöhung auf sechs Prozent in Aussicht, Doch auch das neue Ziel ist illusorisch. Spanien müsste weitere zehn Milliarden Euro einsparen, was sich negativ auf Konjunktur und Beschäftigung auswirken würde.

Im Gegensatz dazu wurde aber eine Förderung von Konjunktur und Beschäftigung angekündigt. Wie das geschehen soll und woher das Geld kommen soll, blieb unklar. Ausgeschlossen wurde die erneute Anhebung wichtiger Steuern wie der Einkommen- und Mehrwertsteuer. Neue Steuern und die Anhebung bestehender wurden stattdessen in Aussicht gestellt. Details gab Rajoy trotz massiver Nachfragen nicht preis.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.