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Verjüngungskur in Schwedt

Die Raffinerie PCK an der Oder pausiert - und doch sind 3200 Arbeiter zusätzlich vor Ort

  • Anja Mia Neumann, dpa
  • Lesedauer: 5 Min.
Auf dem Gelände der Raffinerie PCK herrscht Stillstand - so heißt die vierwöchige Pause zumindest offiziell. Tatsächlich sind in Schwedt im Nordosten Brandenburgs Tausende Bauarbeiter zu Gange und ersetzen tonnenschwere Anlagen.

Schwedt/Oder. Es liegt ein beißender Geruch nach Schwefel in der Luft. Zwischen Gerüsten laufen Bauarbeiter umher. Einige von ihnen tragen Stahlteile auf ihren Schultern, andere blicken nach oben, wo ein Rohr durch die Luft schwebt. Funken sprühen von Schweißarbeiten. Zwischendrin glänzen nagelneue Türme zur Rohöldestillation in der Sonne.

Eigentlich herrscht Stillstand auf dem Gelände der Raffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt. So nennt das Unternehmen die vierwöchige Produktionspause von vielen seiner Anlagen. Doch tatsächlich ist hier das Gewusel größer denn: Alte Maschinen aus DDR-Zeiten sollen endlich Neubauten weichen.

Die Raffinerie an der Oder ist eine von 20 in Deutschland. Alle drei Jahre müssen sie routinemäßig durch eine Kontrolle wie ein Auto. Das ist so vorgeschrieben, zum Schutz von Mitarbeitern und Umwelt. »Wenn der TÜV sagt: Bremssteine gehen nicht mehr oder die Scheibe ist kaputt, dann muss das auch ausgetauscht werden«, erklärt Thomas Schulze. Der schlanke 52-Jährige in dem orange-grünen Schutzanzug ist der Stillstandsleiter bei PCK. »Und das Gleiche machen wir hier auch.«

Die neue Geldmaschine

Das Rohöl in den silbrigen Leitungen inmitten von grünen Wiesen kommt aus Russland. Durch eine unterirdische Pipeline, Tausende Kilometer lang. Etwa zwölf Millionen Tonnen davon verarbeitet PCK nach eigenen Angaben pro Jahr und gehört damit zu den größten Raffinerien Deutschlands. Das ist Platz fünf nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands, knapp hinter der zweiten ostdeutschen Raffinerie in Leuna in Sachsen-Anhalt.

Für die Großreparatur gibt PCK dieses Mal 160 Millionen Euro aus: Das ist ein ganzer Batzen für ein Unternehmen in der strukturschwachen Uckermark. 110 Millionen davon fließen in die neuen Anlagen. Eine geschichtsträchtige Summe - so viel wurde hier noch nie investiert.

Herzstück wird ein neuer Reaktor: mit rund 350 Tonnen das schwerste Bauteil. Noch liegt er groß und gewaltig auf dem Boden unter dem Labyrinth aus Rohren und wartet auf einen Kran, der ihn hochhebt. »Die Geldmaschine«, nennen ihn die Mitarbeiter. Denn mit Hilfe eines Katalysators verwandelt er in einem chemischen Prozess minderwertige, schwere Erdölteile in höherwertige, leichte Stoffe. Diese können für mehr Geld verkauft werden. »Ohne die Anlage wäre die Raffinerie unwirtschaftlich«, sagt Verena Leschke. Die 61 Jahre alte Verfahrenstechnikerin mit den blonden Haaren kennt sich aus: Sie arbeitet seit Jahrzehnten hier.

Der Druck auf die Raffinerien ist enorm: In den vergangenen Jahren sind große Raffinerien im Nahen Osten und in Asien entstanden, die sehr effektiv und kostengünstig produzieren. Dort wachsen die Märkte für Ölprodukte, während sie in Europa stagnieren oder rückläufig sind. »Die Rohölverarbeitung in Raffinerien ist ein typisches Margengeschäft«, sagt Alexander von Gersdorff vom Mineralölwirtschaftsverband. Sie leben von der Differenz von Ausgaben für Rohöl und den Einnahmen durch den Verkauf der Endprodukte wie Diesel, Benzin und Heizöl.

Nach einer längeren Durststrecke hat sich die Ertragslage für die deutschen Raffinerien seit dem vergangenen Jahr gebessert. Das liegt daran, dass einige kleinere Raffinerien in Europa aus dem Markt ausgeschieden sind. In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben die deutschen Raffinerien nach Angaben des Hamburger Energie-Informationsdienstes EID brutto 53 Euro je Tonne verdient. Davon gehen Kosten von geschätzten 36 Euro je Tonne ab. »Damit lässt sich mehr als gut leben«, heißt es in dem Fachblatt. Zwischen 2009 und 2011 blieb unter dem Strich dagegen kaum etwas übrig oder es gab Verluste.

Letztlich stehen Raffinerien vor allem in der Mitte zwischen Erdölförderung und Tankstelle. »Der meiste Gewinn entsteht am Bohrloch«, meint von Gersdorff. PCK zum Beispiel wird von den Gesellschaftern BP und Rosneft, Shell Deutschland Oil und Eni und Total unterhalten - sie kaufen das Rohöl und vermarkten die Produkte. Rund drei Cent pro Liter Benzin verdienen private Mineralölunternehmen etwa laut Verband. Der große Maschinenpark in der brandenburgischen Auenlandschaft könnte für die Region kaum wichtiger sein, ist er doch mit rund 1100 Menschen einer der größten Arbeitgeber. Ein Hoffnungsschimmer in Zeiten tiefroter Zahlen in der Solarbranche, die sonst die Gegend bestimmt.

Arbeiter aus 21 Ländern hat die Raffinerie für die Reparatur nach Schwedt geholt - ein Sprachenwirrwarr. Sie sollen Tanks reinigen, Kräne führen und neue Maschinen montieren: An die 3200 Menschen aus Bulgarien, Portugal oder den Niederlanden. In der Umgebung ist kein Bett in Hotels oder Pensionen mehr frei für Radtouristen auf dem Weg zur Ostsee.

Ein Monat Brandenburg

Stanko Gavez und Sretko Gustovarac sind aus Slowenien an die Oder gekommen. Im Funkenregen schweißen sie neue Rohre aneinander. Gavez war schon so oft in Deutschland auf dem Bau, dass er ein bisschen deutsch kann. »Beim Arbeiten gelernt«, sagt der 48-Jährige im Blaumann mit den grau schimmernden kurzen Haaren. Beide haben gegerbte Gesichter, obwohl die Sonne erst seit einigen Tagen scheint.

Warum sie hier sind? Der 38 Jahre alte Gustovarac mit dem freundlichen Lächeln sagt etwas auf slowenisch. »Gute Arbeit, Geld verdienen«, übersetzt Gavez. »Hier ist langsam und sicher.« Sie bleiben einen Monat in Brandenburg - dann geht es erst mal zurück in die Heimat. Ob sie Kinder haben? »Ja, zwei«, antworten beide sofort. Für sie machen sie das.

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