Schampus für den Stier!
Im »Land der Motoren«: Der »Lamborghini« wird 50, doch in Norditalien wird nicht nur der Kultsportwagen gefeiert
Karosserien, so flach wie eine Flunder, gen Himmel ragende Flügeltüren, Frontspoiler wie gefräßige Raubtierschnauzen mit funkelnden, zackigen Scheinwerferaugen in der Motorhaube. Schnittige Sportwagen mit diesem Aggro-Look namens »Aventador«, »Gallardo« oder »Diablo« machen am 10. Mai Bolognas Piazza Maggiore zum vermutlich teuersten Parkplatz der Welt. Denn hier werden nur Modelle der Kultmarke Lamborghini eintreffen, um deren 50. Geburtstag zu feiern und natürlich, um sich gebührend bestaunen zu lassen. Tags drauf röhren die bis zu 700 PS starken Motoren auf, bevor die für Lamborghini typischen, quietschgelben, aber auch silbernen, roten oder weißen Straßengeschosse im Korso nach Sant Agata Bolognese rollen. Dorthin, wo vor 50 Jahren alles begann - angeblich mit einem nörgelnden Treckerschrauber und einem arroganten Edel-Sportwagen-Produzenten.
Der Landmaschinenhersteller Ferruccio Lamborghini war nämlich Anfang der sechziger Jahre so gut im Geschäft, dass er sich einen Ferrari kaufte. Offenbar ein Montagsmodell, denn kurz darauf beklagte sich Lamborghini bei Enzo Ferrari persönlich über allerlei Macken seines neuen Sportwagens. Der Patriarch der roten Renner soll den Boss der Ackerfurchen-Kriechgefährte mit wegwerfender Handbewegung und der Bemerkung fortgeschickt haben: Lamborghini verstehe eben nur was von Traktoren, nicht aber von Sportwagen.
Eine Ohrfeige mit weitreichenden Folgen: Ferruccio Lamborghini ließ umgehend die damals modernste Autofabrik der Welt bauen, warb Ferraris Chefkons᠆trukteure ab, darunter den Motorenguru Giotto Bizzarini. Gemeinsam mit zwei Topdesignern kons᠆truierten sie binnen eines Jahres den ersten Lamborghini mit der Typbezeichnung 350 GTV, der mit kühneren Formen und einem stärkeren Motor Ferraris Topmodell »Superamerica« die Auspuffrohre und Rücklichter zeigen sollte. Das klappte zunächst nur bedingt, denn Konstrukteure und Designer hatten sich wohl nicht ausreichend abgesprochen, so dass der Motor nicht unter die 350 GTV-Haube passte. Stolz präsentiert wurde der GTV dennoch auf dem Turiner Autosalon - mit dem Firmensignet, einem angriffslustigen Stier auf der Haube und Backsteinen statt einer Maschine darunter. Der Rest ist Geschichte, zu besichtigen auch jenseits der Geburtstagsfeierlichkeiten bei der Produktion des neuesten Modells in der Werkshalle von Lamborghini in Santa Agata Bolognese.
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Bei »Konkurrent« Ferrari hingegen muss man eine sechsstellige Summe hinlegen, wenn man die Produktion besichtigen will. Denn dort darf nur kiebitzen, wer einen Edel-Renner kauft. Schon weit vor dem Ortsschild des Ferrari-Dorfs Maranello ist unüberhörbar, dass man auf dem richtigen Weg ist. Heiseres, hoch- und runterdrehendes, sich beinah überschlagendes Motorenkreischen drückt in die Ohren. Kein Zweifel, drüben auf der anderen Straßenseite hinter den Sichtblenden jagen Testpiloten gut 900 PS über Ferraris Hausstrecke. Verglichen mit Nürburgring & Co. ein enger Go-Kart-Kurs. Trotzdem, Michael Schumacher ist immer gerne hergekommen - zur Probefahrt mit seinen neuen Dienstgeschossen. »Schumi, hol schon mal den Wagen«, hieß es für ihn und »alle runter von der Strecke« für die Testfahrer, damit der siebenfache Weltmeister freie Bahn hatte.
Heute haben Schumi (jubelnd, als Riesenposter) und sein Wagen (Original) einen ewigen Parkplatz - im Firmenmuseum am Stammsitz der »Roten« in Maranello, einem 16 000-Einwohner-Ort südlich von Modena. »Galleria Ferrari« heißt diese XXL-Garage mit bisweilen etwas einfallsloser Standstreifenarchitektur: Im Erdgeschoss, der Formel I-Abteilung, stehen 15 Renner in mehreren Spuren hintereinander, wie im Stau. Der 125 Sport mit lustigen Froschaugenlampen und noch wein- statt knallrot: Ferraris erster Rennwagen überhaupt. Ein paar Meter weiter die an Seifenkisten erinnernden, zigarrenförmigen Autos mit Stahlspeichenrädern der sechziger Jahre und auf der anderen Seite einige Formel I-Boliden jüngerer Zeit von Ayrton Senna oder Schumacher mit der heute typischen Frontspoilerschaufel. Gut und mutig, dass sämtliche Autos - anders als die meterlange Pokalsammlung - nicht hinter Glas stehen, sondern frei zugänglich sind, natürlich nur unter Beachtung des Rudi-Assauer-Mottos aus der Bierwerbung: »Nur gucken, nicht anfassen!«
Gegenüber einer nachgebauten Formel I-Box das erste Büro des 1988 verstorbenen Enzo Ferrari, mit Hornbrille auf dem beigefarbenen Beamtenschreibtisch, einem schwarzen Wählscheibentelefon und Kassenbuch. Der Firmengründer verlagerte seine Autoschmiede schon 1943 aus Modena ins damalige Dorf Maranello, weil er expandieren wollte und Visionen von schnittigen, schnellen Autos hatte. Auf allen klebt bis heute das schwarze Ferrari-Pferd, ursprünglich ein Logo auf dem Propellerflugzeug des Kampffliegers Francesco Baracca. Dessen Mutter schenkte es dem aufstrebenden Rennfahrer Ferrari, und heute ziert es sogar einen Verkehrskreisel Maranellos. Vor allem aber die Spiders, Testarossas und Californias im 2. Stock der Galleria Ferrari. Schön anzuschauen, die teuren, sämtlich handgearbeiteten Edelsportwagen, fast scheinen sie zu posieren für die vielen Handy-Kamera-Knipser unter den Besuchern. Und wirken doch lieblos abgestellt, weil die Galleria Ferrari zu diesen einmaligen Autos keine Geschichten erzählt von Promis, die sie fahren oder von Filmen, in denen sie eine Rolle spielten, wie in »Miami Vice«, »James Bond« oder »Rainman« .
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Ganz anders bei Umberto Panini: Der 82-jährige Besitzer der weltweit wertvollsten Maserati-Sammlung kommt mit einem klapprigen Fahrrad angerollt und öffnet das Tor zu einem bäuerlichen Anwesen mit etwa 500 blökenden Rindern, Treckern und Misthaufen. Wo hier die Edel-Schlitten sind? »Da, in der Scheune«, grinst Panini und schließt auf. Dahinter eine Ausstellung für Kenner: Der rote Maserati A6 GCS Berlinetta, Baujahr 1953 - einer von weltweit überhaupt nur vier gebauten Wagen dieser Art. Dazu Renner aus den dreißiger und fünfziger Jahren, als Maserati kaum zu schlagen war. Der Rolls Royce und ein Mercedes Flügeltürer sind hier eher Nebendarsteller.
Dass diese beeindruckende Ausstellung in Cittanova bei Modena zu sehen ist, dazu haben nennenswert Millionen Kinder in ganz Europa beigetragen - durch den Kauf von Sammelbildchen. Denn dafür hat Umberto Panini vor Jahrzehnten die Druckmaschine erfunden und seither Millionen mit selbst klebenden Autos, Fußballern oder Comicfiguren verdient. Mit diesem Geld konnte er den Verkauf von anderen Maserati-Sammlungen nach Übersee verhindern, und hat jetzt mehr davon in der Scheune als Maserati in seinem Werksmuseum.
- Tourismusverband Emilia Romagna unter www.emiliaromagnaturismo.it
- Land der Motoren unter www.motorvalley.it
- Lamborghini-Museum und Werksbesichtigung: Via Modena, 12, Sant'Agata Bolognese, Bologna. www.lamborghini.com, geöffnet Mo bis Fr, 10 bis 12.30 und 13.30 bis 17 Uhr, Eintritt Erwachsene 40 Euro, ermäßigt 30 Euro, deutschsprachige Führung möglich.
- Galleria Ferrari: Via Dino Ferrari, 43, 41053 Maranello, www.galleria.ferrari.com, geöffnet täglich 9.30 bis 18 Uhr, Eintritt Erwachsene 13 Euro, Kinder 9 Euro.
- Collezione Umberto Panini (CUP): Via Corletto Sud, 320, 41100 Modena, Besuche von Mo bis Fr, aber nur nach vorheriger telefonischer Anmeldung. Eintritt frei.
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Veranstaltungen zum 50. Geburtstag von Lamborghini:
- Autoparade am 11. Mai von Bologna ins 25 Kilometer entfernte Sant Agata Bolognese.
- »Motor Gallery« am 25. und 26. Mai in Modena: Auf gut 40 000 Quadratmetern treffen sich Auto- und Motorradliebhaber, stellen ihre zwei- und vierrädrigen »Schätzchen« aus. Übernachtungspakete für 49 sowie 115 Euro unter www.motorgallery.it, Stichwort »Pakete und Freizeitangebote.
- »Nacht der Motoren« am 8. und 9. Juni ebenfalls in Modena: Shows und Autoparaden mit Oldtimern und aktuellen Luxuskarossen im Zentrum der Stadt, mit kulinarischen Spezialitäten der Region und Live-Musik. Übernachtungspaket für 165 Euro (zwei Nächte im Drei- oder Viersterne-Hotel, Ausflug zum Ferrari-Museum in Maranello). www.modenatur.it/ , Stichwort »Modena Terra di Motori«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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