Es muss nicht immer ein Prozess sein
Ein neues Buch stellt die Chancen der Mediation im Arbeitsrecht vor
Da bekommt jemand vom Arbeitgeber eine Abmahnung. Oder gar die Kündigung, vielleicht eine mickrige Abfindung. Oder es geht um einen nicht eingehaltenen Arbeitsvertrag. Was tun? Manche gehen zum Betriebsrat oder zur Gewerkschaft. Wenn das nicht hilft, bleibt oft nur der Gang zum Arbeitsgericht.
Doch es geht auch anders. Das Schlüsselwort heißt Mediation. Daran können auch Richter und Anwälte mitwirken, aber das muss nicht sein. Mediation ist eine Art freiwillige Schlichtung durch eine Gesprächsrunde; sie sucht konstruktiv und nicht konfrontativ eine faire und dauerhafte Lösung. Am Ende steht nach vertraulichen Verhandlungen eine bindende schriftliche Vereinbarung, zu der beide Seiten beigetragen haben. Mediation gibt es bei Trennung und Scheidung sowie beim Nachbarschaftsstreit. Im Juni 2012 gelang es ver.di Baden-Württemberg und dem TÜV Süd, durch Mediation einen größeren Tarifkonflikt beizulegen. Die Gewerkschaft nannte dies eine »transparente und zukunftsfähige Lösung«.
Ein neues Gesetz
Seit Juli 2012 hat Deutschland dazu nach einer langen Projektphase ein bundesweites Gesetz Bei der Anhörung dafür war 2010 auch der noch skeptische DGB dabei. Das neue Verfahren ist bisher nicht weit verbreitet, noch gibt es kaum Literatur zur Praxis in der Arbeitswelt. Ein Buch hilft, die Lücke zu schließen; es stellt Grundlagen, Methoden und Modelle sehr übersichtlich vor. Geschrieben hat es die Juristin Annegret Pilartz. Sie ist seit langer Zeit nicht nur als Arbeitsrichterin in Bonn tätig, sondern ebenso als ausgebildete Mediatorin. Am dortigen Arbeitsgericht sind alle Richter als Mediatoren geschult; andere Gerichte sind dem bereits gefolgt oder werden es noch tun.
In dieser Rolle fällt Pilartz kein Urteil, sondern ist die streng neutrale Vermittlerin, die das Gespräch aufrecht erhält. Sie achtet gemäß den Prinzipien der Mediation nicht so sehr auf Paragrafen, sondern mehr auf die sozialen, psychischen, menschlichen und kollegialen Komponenten eines Streits. Mediatoren müssen keine Juristen sein, doch ist es gut, mit dem Milieu, dem Rahmen vertraut zu sein, in dem es Differenzen gibt. Für die Juristin und Mediatorin Eva-Maria Stoppkotte, die für den DGB an der Anhörung beteiligt war, ist die Mediation förderlich, »weil da manches aus der Schmuddelecke eines Prozesses herauskommt«, doch sei die Kultur sehr wichtig, die in einem Betrieb vorherrsche.
Gute Gründe
Mit ihrem Buch wendet sich Annegret Pilartz vor allem an Richter und Anwälte. Ihnen will sie dieses neue Feld öffnen. Nützlich sind ihre Darlegungen aber für alle, die Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beilegen wollen. Sie nennt 14 Gründe pro Mediation. Dazu gehören die meist niedrigeren Kosten, die schnellere Entscheidung, das geringere Prozessrisiko, mehr Schutz vor emotionaler Belastung, schließlich auch die Chance, besser verstanden zu werden und Dinge zu regeln, die vor Gericht sonst keine Rolle spielen. Mediation ist zudem gut für die, die bei ihrem Fall keine Zuhörer oder die Presse dabei haben wollen - Mediation geht nur ohne sie.
Kürzlich nutzte Annegret Pilartz die Möglichkeit, jemanden in die Runde zu bitten, der rein rechtlich kaum in einen Gerichtssaal zu holen war: den, der die Dienstpläne gemacht hatte. Obwohl die formal gesehen korrekt waren, sorgten sie oft für Probleme. Bei der Mediation lässt sich auch darüber sprechen und Besserung erreichen. Die Autorin hat eine Vision: Dass es in absehbarer Zeit viel weniger Prozesse alten Stils geben möge, sondern häufiger das neue Modell, an dem beide Seiten selbstbestimmt mitwirken.
Annegret Pilartz: Mediation im Arbeitsrecht. C. H. Beck Verlag, München 2013. 158 Seiten, 37 Euro.
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