Fischbestände gerettet?

Thilo Maack, Meeresexperte bei Greenpeace

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Die EU-Fischereiminister haben sich in einer Marathonsitzung auf neue Fangregeln geeinigt. Einer der Kernpunkte der Reform ist das Rückwurfverbot von Beifang. Der Ministerrat hatte zunächst sieben Prozent Ausnahmen hiervon gefordert, der Kompromiss sieht jetzt fünf Prozent vor. Reicht das?
Maack: Nein, das reicht nicht. Zunächst, die Fünf-Prozent-Regelung soll erst in drei Jahren greifen, für das kommende Jahr werden es sieben, im Jahr darauf sechs Prozent sein. Wir unterstützen weiterhin die Null-Prozent-Forderung des EU-Parlamentes. Denn eine andere Prozentmarke lässt sich auch nicht kontrollieren. Hier schaffen die Minister ein Schlupfloch, um die Beifangregularien zu umgehen.

Die deutsche Ministerin Ilse Aigner (CSU) spricht dagegen von einer ganz großen Chance ...
Frau Aigner hat vor allen Dingen die Beifangregelung zum Kernstück der europäischen Fischereipolitik erklärt. Das allergrößte Problem ist aber die viel zu große Fangflotte. Die Fähigkeit, Fisch zu fangen, ist in Europa um zwei- bis dreifach zu groß, um nachhaltig zu sein. Deshalb muss die europäische Fischereipolitik eine Grundlage liefern, wie wir diese Überkapazitäten loswerden. Dazu hat der Ministerrat nichts wirklich Konsequentes beschlossen.

Die europäische Fischereiflotte gehört zu den größten der Welt und fängt jährlich fast 5,1 Millionen Tonnen Fisch. Das Parlament hatte effektive Maßnahmen gefordert, um die Bestände bis 2020 so stark anwachsen zu lassen, dass sie nachhaltig nutzbar sind. Was haben die Fischereiminister dazu entschieden?
Eine Möglichkeit, die die EU-Kommission vorgeschlagen hatte, waren übertragbare Fischereibefugnisse. Wir teilen an diesem Punkt die Sorge vieler Fischer und Experten vor einer Monopolstellung einiger sehr großer Fischereiunternehmen. Für uns ist der richtige Weg klar zu definieren: Was heißt eigentlich Fangkapazität? Der Fischereiministerrat definiert diese über Größe und Motorleistung des Schiffes. Wir würden wesentlich weitergehen und sagen, es geht auch um Ortungstechnik wie zum Beispiel Luftunterstützung, wie es in der Thunfischerei üblich ist.

Was fordern Sie darüber hinaus?
Wir brauchen eine Berichtspflicht der Mitgliedsländer darüber, wie groß ihre Flotte im Verhältnis zu den Fangmöglichkeiten, also den Quoten, ist. Und wenn die Fähigkeit, Fisch zu fangen, größer ist als die Fangquoten, ist das Überkapazität. Und dann müssen Staaten verpflichtet werden, diese abzubauen.

Sie sind gerade mit dem Greenpeace-Schiff »Arctic Sunrise« im Mittelmeer unterwegs. Hier sind die Küstengegenden mittlerweile weitgehend fischfrei. Was muss passieren?
Wir sind im März gestartet und die Mittelmeerküste entlang gefahren. Mit unserer Tour wollen wir deutlich machen, dass die Zukunft der europäischen Fischerei in der handwerklichen, regionalen Fischerei liegt, die in Spanien 80 Prozent der Flotte ausmacht. Dabei bleibt die Wertschöpfung in der Region und kann jede Menge Arbeitsplätze stellen. So hat es im Grunde über Jahrhunderte funktioniert. Europa muss weg von der großen, stark subventionierten Industriefischerei. Erst als wir angefangen haben, die europäische Fangflotte mit Subventionen künstlich aufzublähen, ist die ganze Sache in Schieflage geraten.

Fragen: Haidy Damm

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