Die Resozialisierung fehlt

Neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung in Hamburg

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Hamburg hat die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung neu geregelt. Der Linkspartei, FDP und Grünen ist das neue Gesetz zu restriktiv, der CDU gefällt es.

Mit Unterstützung der oppositionellen CDU haben Hamburgs allein regierende Sozialdemokraten ein neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung verabschiedet. LINKE, FDP und Grüne kritisieren die Neufassung als unvereinbar mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

»Justizsenatorin Jana Schiedek riskiert mit ihrem kompromisslosen Kurs einen Rüffel aus Karlsruhe«, kommentierte der Grünen-Rechtsexperte Farid Müller. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2011 eine Anpassung bis Ende Mai 2013 gefordert. Sicherungsverwahrte, die ihre Haftstrafe verbüßt haben, müssen danach besser gestellt werden als übliche Strafgefangene. Die Karlsruher Richter verlangten unter anderem größere Räume, mehr Besuchszeiten und ein erhöhtes Therapieangebot für die Betroffenen. In der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel stehen 31 Plätze zur Sicherungsverwahrung zur Verfügung.

»Die Sicherungsverwahrung ist an sich ein fragwürdiges Mittel, die jetzige Situation schlicht ein Skandal«, kritisierte Christiane Schneider, justizpolitische Sprecherin Linksfraktion. Von den Richtern seien »nicht kleine Verbesserungen gegenüber dem Strafvollzug, sondern eine grundsätzlich andere Ausrichtung« gefordert worden. »Zur Wahrung der Menschenwürde und ebenso zum Schutz der Gesellschaft muss das Ziel sein, vom ersten Tag die Rückkehr in die Freiheit und in ein sozialverträgliches Leben vorzubereiten und durch umfassende Hilfe zu begleiten«, sagte Schneider.

Grüne, FDP und LINKE hatten sich vor der Abstimmung in der Bürgerschaft zu einer gemeinsamen Erklärung zusammengefunden. Mit ihren zusammen 31 Abgeordneten übertreffen sie die 28 Oppositionskollegen der CDU, die den SPD-Entwurf unterstützten und dafür insbesondere von den Elbliberalen kritisiert wurden. »Die SPD lässt sich ohne Not vom rückwärtsgewandten Denken der CDU vereinnahmen«, erklärte die FDP-Justizexpertin Anna von Treuenfels: »Das ist schlecht für die Rechtssicherheit, schlecht für die Unterzubringenden und schlecht für den Rechtstaat.«

Das bunte Kritikertrio vermisste beim SPD-Antrag, »dass der Staat sich aktiv darum bemühen muss, die Sicherungsverwahrten zu einem Therapieerfolg und zu einer Lebensertüchtigung nach oft sehr langen Haftstrafen zu führen«. Anders als etwa in Niedersachsen verfügt die Hamburger Gesetzesvorlage über die umstrittene »Ordnungsklausel«, mit der Resozialisierungsmaßnahmen mit Verweis auf eine Gefährdung der Anstaltsordnung unterbunden werden können. »Mit den rigiden Regeln zur Unterbringung Sicherungsverwahrter in Hamburg wollen SPD und CDU der Öffentlichkeit einreden, dass es eine Art ›Sicherheit durch Wegsperren‹ vor ehemaligen Straftätern gäbe«, sprach von Treuenfels in der Debatte für die FDP von einem »Geist des Wegsperrens«. Das Gesetz richte sich »inhaltlich gegen den Resozialisierungsgedanken, statt ihn zu stärken«, und führe angesichts drohender Klagen außerdem zu Rechtsunsicherheit.

Justizsenatorin Schiedek konnte mit diesen Einwänden wenig anfangen. Die Vorlage sei »eine verfassungsgemäße und praxistaugliche Grundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung«, sagte die Sozialdemokratin. Der Grüne Müller widersprach: »Ein besserer Vollzug mit Aussicht auf Freiheit und Therapieerfolg gefährdet die Öffentlichkeit nicht. Sicherungsverwahrte, bei denen die Maßnahmen erfolglos sind, kommen ohnehin nicht frei.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.