Die Resozialisierung fehlt
Neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung in Hamburg
Mit Unterstützung der oppositionellen CDU haben Hamburgs allein regierende Sozialdemokraten ein neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung verabschiedet. LINKE, FDP und Grüne kritisieren die Neufassung als unvereinbar mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
»Justizsenatorin Jana Schiedek riskiert mit ihrem kompromisslosen Kurs einen Rüffel aus Karlsruhe«, kommentierte der Grünen-Rechtsexperte Farid Müller. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2011 eine Anpassung bis Ende Mai 2013 gefordert. Sicherungsverwahrte, die ihre Haftstrafe verbüßt haben, müssen danach besser gestellt werden als übliche Strafgefangene. Die Karlsruher Richter verlangten unter anderem größere Räume, mehr Besuchszeiten und ein erhöhtes Therapieangebot für die Betroffenen. In der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel stehen 31 Plätze zur Sicherungsverwahrung zur Verfügung.
»Die Sicherungsverwahrung ist an sich ein fragwürdiges Mittel, die jetzige Situation schlicht ein Skandal«, kritisierte Christiane Schneider, justizpolitische Sprecherin Linksfraktion. Von den Richtern seien »nicht kleine Verbesserungen gegenüber dem Strafvollzug, sondern eine grundsätzlich andere Ausrichtung« gefordert worden. »Zur Wahrung der Menschenwürde und ebenso zum Schutz der Gesellschaft muss das Ziel sein, vom ersten Tag die Rückkehr in die Freiheit und in ein sozialverträgliches Leben vorzubereiten und durch umfassende Hilfe zu begleiten«, sagte Schneider.
Grüne, FDP und LINKE hatten sich vor der Abstimmung in der Bürgerschaft zu einer gemeinsamen Erklärung zusammengefunden. Mit ihren zusammen 31 Abgeordneten übertreffen sie die 28 Oppositionskollegen der CDU, die den SPD-Entwurf unterstützten und dafür insbesondere von den Elbliberalen kritisiert wurden. »Die SPD lässt sich ohne Not vom rückwärtsgewandten Denken der CDU vereinnahmen«, erklärte die FDP-Justizexpertin Anna von Treuenfels: »Das ist schlecht für die Rechtssicherheit, schlecht für die Unterzubringenden und schlecht für den Rechtstaat.«
Das bunte Kritikertrio vermisste beim SPD-Antrag, »dass der Staat sich aktiv darum bemühen muss, die Sicherungsverwahrten zu einem Therapieerfolg und zu einer Lebensertüchtigung nach oft sehr langen Haftstrafen zu führen«. Anders als etwa in Niedersachsen verfügt die Hamburger Gesetzesvorlage über die umstrittene »Ordnungsklausel«, mit der Resozialisierungsmaßnahmen mit Verweis auf eine Gefährdung der Anstaltsordnung unterbunden werden können. »Mit den rigiden Regeln zur Unterbringung Sicherungsverwahrter in Hamburg wollen SPD und CDU der Öffentlichkeit einreden, dass es eine Art ›Sicherheit durch Wegsperren‹ vor ehemaligen Straftätern gäbe«, sprach von Treuenfels in der Debatte für die FDP von einem »Geist des Wegsperrens«. Das Gesetz richte sich »inhaltlich gegen den Resozialisierungsgedanken, statt ihn zu stärken«, und führe angesichts drohender Klagen außerdem zu Rechtsunsicherheit.
Justizsenatorin Schiedek konnte mit diesen Einwänden wenig anfangen. Die Vorlage sei »eine verfassungsgemäße und praxistaugliche Grundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung«, sagte die Sozialdemokratin. Der Grüne Müller widersprach: »Ein besserer Vollzug mit Aussicht auf Freiheit und Therapieerfolg gefährdet die Öffentlichkeit nicht. Sicherungsverwahrte, bei denen die Maßnahmen erfolglos sind, kommen ohnehin nicht frei.«
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