Wie viele Endlager brauchen wir eigentlich?
Umweltschützer bemängeln die Fokussierung auf Lagerstätte für hoch radioaktive Abfälle
Mit einer Petition will die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg das geplante Endlagersuchgesetz noch stoppen. »Im Affentempo wird das Gesetz, das bei Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbänden auf großen Widerstand stößt, durchgesetzt«, bemängelte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Im Fokus der Kritik steht dabei nicht nur, dass Gorleben im Pool - und auf der Pole-Position - der zu prüfenden Standorte bleibt. Sondern auch, dass ohne eine umfassende Atommülldebatte und ohne die Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit die Grundzüge einer angeblich neuen Endlagersuche festgeschrieben werden.
Die BI verweist darauf, dass nicht einmal die Abfallbilanzen klar seien, und bezieht sich auf einen Bericht des »Spiegel«. Das Magazin hatte geschrieben, dass eine »neue Sorte« von Atommüll aufgetaucht sei, für die es bislang noch gar keine Endbestimmung gebe. Es handelt sich dabei um ausgediente, graphit-ummantelte Brennelementekugeln aus dem längst stillgelegten Hochtemperaturreaktor in Hamm, vor allem aber um Abfälle aus der Urananreicherungsanlage Gronau. Die in Wirklichkeit gar nicht neue »Atommüllsorte« hat ein Volumen von etwa 105 000 Kubikmetern Atommüll - viel zu viel und auch nicht zugelassen für eine Einlagerung in das im Bau befindliche Endlager für schwach und mittelradioaktive Abfälle Schacht Konrad in Salzgitter.
Beim Betrieb der Gronauer Fabrik, die Atomreaktoren in ganz Europa mit »Brennstoff« versorgt, fallen Zehntausende Tonnen abgereichertes Uran an. Ab 1995 wurde dieser Atomschrott zunächst mit Zügen und Schiffen nach Russland gebracht und dort unter freiem Himmel gelagert. Erst nach massiven Protesten deutscher und russischer Umweltschützer wurden diese Transporte 2009 gestoppt, seitdem bunkert der Betreiber Urenco das abgereicherte Uran, deklariert als »Betriebsabfall«, auf dem Gronauer Firmengelände.
»Anstatt die Urananreicherung als Konsequenz aus dem Atomausstieg zu beenden, stellt der Entsorgungsdruck in Gronau die deutschen Endlagerungspläne vor schier unlösbare Probleme«, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Im Endlagersuchgesetz werde dieses Problem kaschiert. Allerdings findet sich in dem am Freitag in den Bundestag eingebrachten Entwurf die Formulierung, es gehe um die Einrichtung eines Endlagers »insbesondere« für Wärme entwickelnde, also hoch radioaktive Abfälle - dies könnte eine bewusst versteckte Hintertür dafür sein, den nicht »Konrad-gängigen« schwach aktiven Atommüll auf die Deponie für hoch radioaktive Abfälle zu bringen.
Das ist jedoch Spekulation. Mit einer eigenen Lagerstätte für die Uran- und Graphitabfälle würde sich die Zahl der künftigen Atommüll-Endlager in Deutschland auf mindestens vier erhöhen. Denn neben dem noch zu suchenden Standort eines Endlagers für hoch radioaktive Abfälle und Schacht Konrad gibt es noch die Deponie im sachsen-anhaltinischen Morsleben. Das frühere DDR-Endlager ging mit der deutschen Einheit in den Besitz des Bundes über, das Bundesamt für Strahlenschutz hat die atomrechtliche Stilllegung der Grube beantragt.
Ein fünftes Endlager wäre für die im Bergwerk Asse vergrabenen Abfälle nötig - vorausgesetzt, die Bergung des Atommülls klappt wie geplant. Gelingt dieses Vorhaben nicht, würde die Asse selbst zu einem weiteren Endlager. Der Ingenieur Udo Dettmann vom atomkraftkritischen Asse-2-Koordinationskreis geht davon aus, dass selbst bei bestem politischen Willen nur ein Teil des maroden Schachtes leer geräumt werden kann. Dann gäbe es künftig allein für die Asse-Abfälle zwei Endlager.
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