Der Euro hat noch eine Chance

Volkswirt Heiner Flassbeck diskutiert mögliches Ende der Währungsunion

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung legt eine Studie zur Eurokrise vor. Das Papier dürfte bestehende Diskussionen weiter anfeuern.

Der Volkswirt Heiner Flassbeck sieht trotz einer schweren Existenzkrise, in der sich der Euro befinde, noch Chancen für einen Kurswechsel. »Es ist spät, doch noch ist es nicht zu spät für eine Umkehr«, so Flassbeck mit Blick auf eine von der LINKEN-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebene Studie. Würde Deutschland als wichtigstes Gläubigerland Einsicht zeigen und zusammen mit allen anderen auf eine neue Strategie setzen, könnte die Eurozone nach Ansicht von Flassbeck die Krise bewältigen.

Der frühere Staatssekretär im Finanzministerium unter Oskar Lafontaine zeigte sich zugleich skeptisch, was die aktuellen politischen Möglichkeiten für einen Kurswechsel angeht. »Da die Wahrscheinlichkeit für das Zustandekommen einer solchen fundamentalen Wende nicht sehr hoch anzusetzen ist, müssen auch andere Optionen ins Auge gefasst werden.« Die von ihm und dem in London lehrenden Ökonom Costas Lapavitsas vorgelegte 45-seitige Expertise habe gezeigt, dass die Möglichkeiten einer Währungsunion in Europa und die damit verbundenen Chancen nicht genutzt worden seien. Im Lichte der Lage in den europäischen Krisenstaaten stoße die »Politik an Grenzen, die man nicht vernachlässigen darf«.

Flassbeck, der von 2003 bis 2012 Chefvolkswirt bei der UNO-Organisation für Handel und Entwicklung war, plädiert dafür, einen Ausstieg aus dem Euro als Option zu tolerieren. Früher oder später müssten demokratisch gewählte Regierungen Erfolge bei der Krisenbekämpfung vorweisen, sonst würden die »Ränder des demokratischen Spektrums mehr und mehr Zulauf erhalten«. In dieser Lage die Möglichkeit eines Ausstiegs aus der Debatte »zu verdrängen, weil man Europa nicht infrage stellen will, wäre unverantwortliche Schönfärberei«, so Flassbeck.

»Abgesehen von vielen kleineren technischen Problemen«, die bei einem Ausstiegsszenario auftreten könnten, gebe es »zwei grundsätzliche Hürden, die zu überwinden sind«. Erstens wären strikte Kapitalverkehrskontrollen unumgänglich, um Kapitalflucht und einen Ansturm auf die Banken zu verhindern. Zweitens bestehe bei einem Übergang zu einer neuen Währung »die Gefahr, dass diese Währung, wird sie den Devisenmärkten überlassen, quasi zunächst ins Bodenlose fällt«. Dadurch würde die Umstellung sehr teuer und schmerzhaft werden. Dies könne durch die »Wiederbelebung des Europäischen Währungssystems« verhindert werden.

Den Kritikern einer Euro-Ausstiegsoption entgegnete Flassbeck, man müsse »realistisch bleiben«. Mit der Währungsunion sei Europa »vermutlich zu früh einen Schritt zu weit gegangen«, so Flassbeck weiter. »Wäre der Euro zu retten, wäre das sicher ein großer Erfolg.« Doch wenn das nicht in allen Mitgliedsländern möglich sei, sollte nach Meinung des Ökonomen alle Energie darauf verwendet werden, das politisch vereinte Europa vor den einstürzenden Trümmern der Währungsunion zu schützen.

Die Studie dürfte der Euro-Debatte der LINKEN neuen Schub geben. Seit einem Vorstoß von Lafontaine vor einigen Wochen, in dem der frühere Finanzminister für einen geordneten Ausstieg aus dem Euro plädiert hatte, wird über den politischen Kurs der LINKEN in der Eurokrise diskutiert. Zahlreiche Linkenpolitiker hatten sich gegen die Ausstiegsoption gewandt. Auch in anderen Ländern hat die Diskussion über die Zukunft des Euro unter Linken neuen Auftrieb erhalten.

Unterdessen hat sich die Luxemburg-Stiftung gegen die Behauptung gewehrt, sie habe den Euro-Ausstieg »durchrechnen« lassen. Die Vorsitzende der Stiftung, Dagmar Enkelmann, wies eine Meldung zurück, die dies behauptet hatte. Besagte Studie »The systemic crisis of the Euro« von Flassbeck und Lapavitsas habe »vielmehr die Eurokrise analysiert und Handlungsoptionen zur Rettung der Eurozone erarbeitet«. Enkelmann sagte weiter, die Expertise sei »ein Beitrag zum mehr als nötigen Diskurs über die Zukunft des Euroraums und der Europäer«.

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