Endlich volljährig!
Ein Besuch bei der Designkonferenz TYPO in Berlin
Die Party bei der TYPOnight in der Alten Münze in Berlin-Mitte kam schnell in Gang – kein Wunder, die TYPO wird traditionell von vielen Studierenden besucht und die tanzten munter schon vor Mitternacht. Das ist eigentlich die Stunde, in der Berliner normalerweise sich auf den Weg zu einer Party machen. Studierende kommen zur TYPO, um bekannte Namen der Szene für eine Stunde live zu erleben. 219 Euro müssen dafür angelegt werden, drei Tage lang im Haus der Kulturen der Welt Design-Ikonen und junge Talente erleben zu können. Profis müssen tiefer in die Taschen greifen: Zwischen 450 und 650 Euro kosten die Tickets für drei Tage.
„Endlich volljährig!“ – zum 18. Geburtstag kam mit Neville Brody einer der „Geburtshelfer der Veranstaltung“ und machte sich am Freitagabend mit dem Publikum auf den Weg „Zu Ebene 2“. Brody war DER Designer und Typograf der 1990er Jahre – seine FF Blur durfte auf keinem Flyer fehlen – mit FUSE startete er 1991 eine vielbeachtete Font-Edition. Vierteljährlich experimentierten Schriftentwerfer zu einem Thema – die Ergebnisse wurden in Paketboxen ausgeliefert. Zur Diskette mit den Fonts gab es von den Künstlern mit den neuen Schriften gestaltete Plakate. Auch ich war damals im FUSE-Fieber – die Original-Boxen haben im Arbeitszimmer einen Ehrenplatz. Mit der FUSE 95 begann die Geschichte der TYPO...
Sicher hätte es die TYPO ohne Erik Spiekermann nicht gegeben. Mit Brody und anderen gründete er 1989 FontShop International sowie die FontFont-Bibliothek. Spiekermann ist die graue Eminenz des Kongresses und gab sich bodenständig. Mit Hand-Druckmaschinen konnten die Teilnehmer der TYPO Schrift sprichwörtlich in die Hand nehmen und Plakate und T-Shirts bedrucken. Dem gelernten Schriftsetzer und Design-Professor entfuhr manchmal ein „Das bekommst Du doch sowie nicht hin“ – aber viele Stammgäste der Konferenz kennen Eriks Humor. Am Sonntag machte er sich mit einigen Unermüdlichen auf eine Radtour um bekannte wie auch unbekannte Grafik-Sehenswürdigkeiten anzusteuern. Etwa die Ausstellung ON TYPE – Texte zur Typografie im Bauhaus-Archiv.
Mit jungen Amerikanerinnen haben einige TYPO-Teilnehmer Probleme. Im letzten Jahr durfte Jessica Hische den Abschluss der Konferenz gestalten und in diesem Jahr trat Jessica Walsh an. Beide sind ungeheuer erfolgreich und verblüffen vor allem ältere Designer mit ihrer Hoppla-jetzt-komme-ich-Attitüde, die oft – viel zu oft – als Naivität abgestempelt wird. Mir gefielen beide, ich mag es, wenn Menschen die Dinge mit positiver Energie angehen. Walsh forderte „Kreatives Spiel“ und riet „Do what you love and you will never work a day in your life.“ Seit 2012 ist sie mit dieser Einstellung auf Augenhöhe mit den Großen der Branche. Stefan Sagmeister, der für die Rolling Stones und das Guggenheim Museum arbeitete – machte den Nachswuchsstar mit Auszeichnungen wie „Top Rising Star in Design” und „Young Gun“ zur gleichberechtigten Geschäftspartnerin.
Am Rande: Die Motti der TYPO sind eher allgemeine Leitlinie – die Sprecherinnen und Sprecher ignorieren sie meist und geben einen Einblick in ihre Werkstatt. In jedem Fall haben mich in diesem Jahr „berührt“: Gesche Joost vom Design Research Lab der TU Berlin mit „Prototypen einer vernetzten Gesellschaft“, Van Bo Le-Mentzel mit seiner Idee der „Karma Chakhs“, Erik von Blokland und Paul van der Laan mit ihrem Typo-Workshop, Paul Barritt mit dem „magischen Kino von 1927“ undundund. Neben all den spannenden Vorträgen ist die TYPO aber Ort und Anlass, alte Freunde zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen. Ich werde die Inspiration der Designkonferenz für das Kuratieren der #LiMA14 nutzen und vor allem Mails schreiben...
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