Angst vor Krankheiten befeuert das Geschäft
US-Firma verdient Millionen mit Gentests zur Krankheitsfrüherkennung
Die Angst vor schweren Krankheiten befeuert auch den Geschäftserfolg des US-Unternehmens Myriad Genetics. Ganz aktuell erscheint hier der Zusammenhang mit der vorsorglichen Brustamputation der Schauspielerin Angelina Jolie. Grundlage für den schwerwiegenden Eingriff war die Auswertung eines Gentests, den das Unternehmen aus Salt Lake City vor 17 Jahren auf den Markt brachte. Aus dem Test wurde abgeleitet, dass Jolie eine 87-prozentige Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs habe.
Als die Schauspielerin ihren Schritt am 14. Mai in der New York Times verkündete, stieg der Aktienkurs von Myriad um drei Prozent, nachdem der Wert seit Jahresbeginn bereits um ein Viertel gewachsen war. Allerdings gab es Mitte Mai auch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA zugunsten des Agrarkonzerns Monsanto in einem Patentstreit. Das Urteil war an der Börse offensichtlich als gutes Signal für Myriad interpretiert worden, weil das Unternehmen im Juni eine ähnliche Entscheidung des Gerichtshofes erwartet.
Das höchste US-Gericht befindet dann darüber, ob das Unternehmen die Patente auf die Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 behalten darf. Seit etwa 30 Jahren werden menschliche Gene patentiert, immer ging es dabei kontrovers zu. Das erste BRCA1-Patent erhielt Myriad 1997, das erste für BRCA2 im Jahr 1998. 2014 würden die ersten auslaufen; der Konzern besteht auf einem Patentschutz bis mindestens 2018. 2009 hatte ein US-Gericht zwei Myriad-Patente für ungültig erklärt, unterlag damit aber in der Berufung. Jetzt wird eine Bestätigung dafür erwartet, dass Gene patentierfähig sind, wenn auch in geringerem Maße als andere Objekte.
Mit den Brustkrebstests erwirtschaftet Myriad fast drei Viertel seines Umsatzes. Durch rund eine Million bereits durchgeführte Prüfungen stehen dem Unternehmen Unmengen von Daten zur Verfügung, die zu immer genaueren Bewertungen beitragen. Außerdem bietet die Firma weitere Tests und Dienstleistungen in diesem Zusammenhang an, darunter zur individuellen Wirksamkeit bestimmter Medikamente oder zum Verlauf von Krankheiten. Prüfverfahren für die Wahrscheinlichkeit von erblichem Darm- und Gebärmutterkrebs sind ebenso im Angebot wie diagnostische Tests für erblichen Hautkrebs. Myriad, das in einigen dieser Geschäftsfelder als konkurrenzlos gilt, ist somit einer der Industrie-Pioniere einer künftigen personalisierten Medizin. Dennoch schläft die Konkurrenz nicht. So wird das kalifornischen Gentech-Unternehmen Illumina jetzt in Großbritannien einen Gentest für Brust- und Eierstockkrebs erproben, der die Auswahl geeigneter Therapien unterstützen und die erbliche Belastung genauer bestimmen soll.
Um die Testergebnisse auch europäischen Interessenten schneller zur Verfügung zu stellen, wurde im Frühjahr 2012 ein Labor im bayrischen Martinsried eröffnet. Der deutsche Ableger ist in klinische Studien zur Überprüfung neuer Gentests unter anderem im Helmholtz Zentrum München im Bereich Lungenforschung eingebunden.
Lexikon
Myriad Genetics wurde 1991 u.a. von Mark Skolnick, einem Wissenschaftler der University of Utah, gegründet. 1994 gelang es in seinem Labor, das BRCA1-Gen zu klonen. 1996 wurde der BRCA-Test auf den Markt gebracht. Die Firma gibt an, in die Entwicklung 500 Millionen Dollar investiert zu haben. Myriad ist heute ein Unternehmen der Molekulardiagnostik und an der Technologiebörse NASDAQ notiert. An der Börse wird es mit knapp 2,6 Milliarden Dollar bewertet. uh
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.