Wahlkampf mit Wohnungen

Deutscher Mieterbund warnt in München vor Gefährdung des sozialen Friedens

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Wohnungspolitische Fragen gewinnen angesichts einer zugespitzten Lage bei bezahlbaren Wohnungen in Ballungsräumen und angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen wieder an Brisanz. Wer mit Wohneigentum den »schnellen Euro« machen wolle, der gefährde den sozialen Frieden«, warnte Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes.

Der Festsaal am Münchner Nockherberg war voll besetzt, als gestern der Deutsche Mieterbund (er vertritt rund drei Millionen Mitglieder) anlässlich des 65. Deutschen Mietertages unter dem Motto »Für bezahlbare Wohnungen und ein sozial gerechtes Mietrecht« zu einer öffentlichen Veranstaltung geladen hatte. Obwohl auch Beate Merk, Justizministerin in Bayern (CSU) und Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesbauministerium, als Redner geladen waren, war klar, dass Mieterfragen ein klassisches Spielfeld der SPD sind. Die trat dann auch gleich im Doppelpack von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf - die bevorstehenden Wahlgänge in Bayern und im Bund lassen grüßen.

Hatte Mieterbundpräsident Franz-Georg Rips in seiner Eröffnungsrede darauf hingewiesen, dass der Mietmarkt in Deutschland zwischen Wohnungsnot in Großstädten und Leerständen in der Provinz uneinheitlich sei, so schöpfte Ude aus dem Vollen, was die Probleme von Mietern in einer prosperierenden Großstadt wie München betrifft. Es gebe zwei verschiedene Arten von Zuwanderungen, so der SPD-Politiker, der als Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl in Bayern antritt. Das sei zum einen die Zuwanderung von Geld - jenen »vagabundierenden Milliarden«, die nach der Krise auf dem Finanzsektor nun die Flucht in das »Betongold« anträten. Als Folge explodierten die Immobilienpreise in attraktiven Städten geradezu, in München hätten sich diese Preise innerhalb eines Jahres (2012) verdoppelt.

Die zweite Zuwanderung sei die Zuwanderung von Armut und die geschehe vor allem aus den EU-Beitrittsländern im Osten Europas und aus den Krisenzonen des Euros im Süden: Aus Spanien, Griechenland und Portugal. Die Kommunen und regionalen Wohnungsmärkte hätten es so mit »europäischen Entwicklungen und Verwerfungen« zu tun, die nicht von heute auf morgen lösbar seien. Als »nackten Machtmissbrauch« bezeichnete Ude Mietsteigerungen bei Wiedervermietungen von Wohnungen, die so bis zu 50 Prozent teurer würden. Notwendig sei ein wachsender öffentlicher Wohnungssektor, der Verkauf von 33 000 Wohnungen der öffentlichen Hand in Bayern an einen privaten Investor sei hingegen ein »unverzeihlicher Kardinalfehler« der Staatsregierung.

Auch Bayerns Justizministerin Merk kritisierte die Praxis der verteuerten Wiedervermietung und stellte auch die Maklerprovisionen in Frage, verteidigte aber ansonsten das Mietrecht der Bundesregierung, bei dem zum Beispiel der Vermieter nun energetische Modernisierungskosten zu elf Prozent auf den Mieter umlegen kann.

Ganz in den Wahlkampf stieg SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit einem Blumenstrauß an Versprechungen ein. Die Mieterhöhung bei Wiedervermietung werde - als bundesweit einheitliche Regelung - auf zehn Prozent gedeckelt (die Union vertritt eine Begrenzung auf 15 Prozent als Kann-Bestimmung). Die Maklerprovision soll in Zukunft vom Vermieter bezahlt werden. Bezahlt werden soll auch nur noch die wirkliche Wohnfläche (derzeit haben die Vermieter noch einen Spielraum von minus zehn Prozent) und die Modernisierungskosten sollen nur noch zu neun Prozent (statt zu elf Prozent) umgelegt werden können. Zudem kündigte Steinbrück als Aktionsprogramm ein wohnungspolitisches Bündnis von Ländern, Kommunen, Bauwirtschaft und Gewerkschaften an, ebenso wie die Aufstockung des Etats für den sozialen Wohnungsbau.

Die Linkspartei verteilte vor dem Festsaal Flyer mit wohnungspolitischen Forderung wie Stopp der Privatisierung und Erhalt der Sozialbindung.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.