Abschied der Unersättlichen
Mit dem Gewinn der Champions League wollen sich vier Kieler Handballer selbst krönen
Der Mann ist die Raupe Nimmersatt des Handballs. Auch der Gewinn der deutschen Meisterschaft am 14. Mai hat den Hunger Thierry Omeyers nicht gestillt. »Ein Titel fehlt uns noch«, sagte der französische Torwart des THW Kiel. Eine perfekte Saison ist es für den 36-Jährigen nur dann, wenn er auch die wichtigste Trophäe des Klubhandballs gewinnt: die Champions League. »Es wird sehr schwer, aber ich bin optimistisch«, sagt Omeyer vor dem Finalturnier in Köln.
Seine Zuversicht speist sich aus sagenhaften 21 Titeln, die Omeyer seit 2006 mit dem THW Kiel eingesammelt hat (nebenbei wurde er je zweimal Olympiasieger und Weltmeister) - und aus der Tatsache, dass die »Zebras« am morgigen Samstag (18 Uhr, live bei Eurosport) im deutschen Halbfinale auf den HSV Hamburg treffen. Schließlich haben sie den Erzrivalen in der Liga zweimal geschlagen. Sollte der THW Vorschlussrunde und Endspiel (gegen den FC Barcelona oder den polnischen Meister KS Kielce) siegreich beenden, wäre ein weiterer Eintrag in die Geschichtsbücher dieser Sportart gewiss: Die Wiederholung des Triples aus Meisterschaft, Pokal und Champions League gelang bisher nur dem FC Barcelona (1997, 1998).
Die Mannschaft von Trainer Alfred Gislason (»Das Final Four ist größer als Olympia«) ist Topfavorit aus mehreren Gründen. Wie schon bei den Triumphen 2010 und 2012 dürfte die Mehrheit unter den rund 20 000 Handballfans zum Rekordmeister halten. Zudem stehen bis auf Linkshänder Christian Zeitz (Mittelhandbruch), der aber womöglich sein Comeback feiern wird, alle Profis zur Verfügung. Und dass Omeyer, sein Landsmann Daniel Narcisse, der Serben Momir Ilic und Kapitän Marcus Ahlm ihre letzten Finalspiele für den THW bestreiten, motiviert sie nur noch zusätzlich. »Es wäre ein fantastischer Abschluss«, sagt Ahlm.
Auch der HSV ist indes zu allem entschlossen bei seiner zweiten Teilnahme am Final Four seit 2011. Rückraumstar Domagoj Duvnjak und Torwart Johannes Bitter präsentieren sich seit Monaten in herausragender Form. Aber auf den Rückraumpositionen ist das Team von Trainer Martin Schwalb nicht doppelt besetzt, ein großes Manko gegenüber den übrigen Halbfinalteilnehmern. »Ob wir die Physis haben, zwei harte Duelle in zwei Tagen zu spielen?«, fragt HSV-Präsident Matthias Rudolph bang. »Das wird schwer.«
Die Kieler in der aktuellen Form seien, das weiß Bitter, »der schwerste mögliche Gegner«. Die HSV-Profis wissen also um das kleine Handballwunder, dass sie gegen den THW-Express benötigen. Außerdem stehen sie unter Druck, weil das Final Four für sie der letzte Strohhalm ist, sich für die kommende Champions-League-Saison zu qualifizieren. Dazu müsste allerdings der Titel her.
Und dann ist da noch die Sache mit Torsten Jansen. Sein brutaler Kopfstoß gegen den Berliner Ivan Nincevic in der vergangenen Woche beherrschte die Schlagzeilen; das Image des Weltmeisters von 2007, zuvor als tadelloser Sportsmann gerühmt, ist schwer beschädigt. »Es ist schwer, sich selbst zu verzeihen«, bekannte der 36-Jährige in der Hamburger Morgenpost. »Ich muss sehen, dass ich mit mir irgendwie ins Reine komme.«
Der zweite Favorit ist zweifellos der FC Barcelona, Turniersieger von 2011. Das Team von Trainer Xavier Pascual stürmte ungeschlagen zur spanischen Meisterschaft und will nun unbedingt die Ehre des Klubs im Mannschaftssport retten: Schließlich scheiterten Fußballer und Basketballer jeweils im Halbfinale der Champions League bzw. Euroleague.
Zentrum des katalanischen Spiels ist Sjargej Rutenka, eine Reizfigur des Handballs. Der Mann aus Belarus arbeitet notfalls auch mit Provokationen, um sich Vorteile zu verschaffen. Seine Klasse im Rückraum und am Kreis ist aber unbestritten - hinter HSV-Rechtsaußen Hans Lindberg (88 Treffer) liegt Rutenka (79) an zweiter Stelle der Torschützenliste. Sein Ziel ist es, die Champions League so oft wie kein anderer Spieler zu gewinnen. Das eint ihn mit THW-Torwart Omeyer. Beide streben am Wochenende ihren fünften Sieg an.
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