Die Warnung des Alt-Präsidenten
Am Protesttag gegen die Troika-Sparpolitik gingen in Spanien und Portugal tausende Menschen auf die Straße
Fast 100 Demonstrationen fanden am Sonnabend allein auf der Iberischen Halbinsel gegen die europaweite Sparpolitik statt. Die größten Protestmärsche waren in den Hauptstädten Madrid und Lissabon zu sehen. In letzterer wurde die Idee geboren, europaweit gegen die Sparauflagen der Troika aus EU-Kommission, Internationalen Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) aufzustehen. Auch in Frankreich, Italien und Spanien waren Proteste angekündigt.
In Portugal blieb die Beteiligung aber deutlich hinter der im März zurück. Dem Aufruf der Empörten-Bewegung waren damals mit etwa 1,5 Millionen Menschen fast 15 Prozent der Bevölkerung gefolgt. »Que se lixe a troika« (Zum Teufel mit der Troika) räumte die schwächere Beteiligung ein. Belandina Vaz vermutet, die Menschen seien »müde«, weil die Regierung nicht auf sie reagiere. Die Koordinatorin der Gruppe Catarina Martins hebt dagegen die »Symbolkraft« der Tatsache heraus, dass in ganz Europa gemeinsam demonstriert wurde. Das hebt auch der Ökonom Francisco Louçã hervor. Der Politiker des Linksblocks verweist darauf, dass in diesen Tagen keine Troika-Vertreter in Portugal waren, was die Menschen anheize.
In Lissabon zogen die Demonstranten zum Büro des Internationalen Währungsfonds (IWF), das von der Polizei geschützt wurde. Dort zeigte sich die graue Eminenz der portugiesischen Politik. Der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Mario Soares wurde stürmisch beklatscht, während die Demonstranten an dem Wagen vorbeizogen, in dem der 89-jährige saß. »IWF raus«, wurde derweil skandiert.
Auch Soares verlangte den Rücktritt der konservativen Regierung unter Pedro Passos Coelho. Er forderte Präsident Aníbal Cavaco Silva auf, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Soares, bis 1996 Präsident Portugals, warnte seinen Nachfolger. Er könnte dafür verantwortlich sein, wenn die Portugiesen »ihre Geduld und Friedfertigkeit verlieren« und die Proteste in Gewalt umschlagen. Der Regierung wirft er vor, mit der von der Troika verordneten Austeritätspolitik das Land »zu zerstören«. Portugal durchlebt die tiefste Rezession seit der Nelkenrevolution 1974. Die Arbeitslosigkeit ist im ärmsten Land der Eurozone auf den Rekordwert von fast 18 Prozent und bei Jugendlichen auf über 42 Prozent gestiegen.
Am Protest beteiligte sich auch der Chef des großen Gewerkschaftsverbands CGTP. Arménio Carlos rief zum Generalstreik am 27. Juni auf, um die Regierung zu stürzen. Der ist nun mit dem sozialdemokratischen Verband UGT abgestimmt. Die Zustimmung der UGT-Führung am heutigen Montag gilt als Formsache. Selten streiken beide Verbände gemeinsam, doch auch der UGT ist der Kragen geplatzt, da erneut Renten gekürzt, 30 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen und die Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden erhöht werden sollen.
»Generalstreik, Generalstreik« wurde auch in Spanien skandiert. Da sich die großen Gewerkschaften schon im vergangenen November dem Aufruf der CGTP angeschlossen hatten, kam es erstmals zu einem gesamtiberischen Generalstreik. Das könnte sich nun wiederholen. An der Demonstration in Madrid nahm der Parteichef des griechischen Linksbündnis SYRIZA teil. Alexis Tsipras führte an der Seite des Chefs der Vereinten Linken (IU), Cayo Lara, die Demonstration an. »Alles, was in Griechenland passiert ist, wird auch hier passieren«, warnte Tsipras. Er sprach aber von einer »historischen Chance«, mit einem breiten gemeinsamen Widerstand in Europa die »Barbarei« zu stoppen, und hält linke Alternativen für möglich. SYRIZA wurde bei den Parlamentswahlen in Griechenland im vergangenen Jahr zweitstärkste Kraft.
Lara kündigte an, der Widerstand gegen Kürzungen im Bereich Bildung, gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens, Zwangsräumungen, Arbeitsmarkt- und Rentenreformen werde andauern. »Wir werden angesichts dieser Politik im Dienst des Finanzkapitals, die sich gegen die Rechte der Bevölkerung richtet, nicht resignieren.« Die Troika und die Technokraten werden nicht gewinnen, sagte er. Spanien befindet sich seit Ende 2011 in der Rezession.
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