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ILO-Bericht: Soziale Unruhen drohen wegen Krisenpolitik

Erwerbslosigkeit und Ungleichheit steigen weiter schnell an - Ausnahme Bundesrepublik, doch auch hier wächst die Kluft

  • Lesedauer: 3 Min.

Genf (Agenturen/nd). Fünf Jahre nach dem Beginn der Finanzkrise nimmt die Erwerbslosigkeit in vielen Industriestaaten weiter zu – und damit auch die Wahrscheinlichkeit sozialer Unruhen. Wie die UNO-Experten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) am Mittwoch in einer umfangreichen Studie erläutern, gehört die Bundesrepublik dabei zu den wenigen Ländern, in denen die Beschäftigungsrate jene vor der Finanzkrise übersteigt.

Weltweit werde die Zahl der Menschen ohne Job von jetzt 200 Millionen bis 2015 um acht Millionen wachsen, warnt die ILO in ihrem am Montag vorgelegten Weltarbeitsmarktbericht 2013. »Wir brauchen einen auf Jobs und produktive Investitionen fokussierten globalen Aufschwung sowie besseren sozialen Schutz für die ärmsten und verwundbarsten Gruppen«, sagte ILO-Generaldiretor Guy Ryder. »Und wir müssen gegen die soziale Ungleichheit vorgehen, die in vielen Teilen der Welt größer wird.«

Das Risiko sozialer Unruhen sei in 46 von 71 untersuchten Volkswirtschaft gewachsen, erklären die ILO-Experten. In der Europäischen Union habe sich diese Gefahr - nach einem Index mit Faktoren wie Arbeitsmarktlage, Lebensstandard und Vertrauen in die jeweilige Regierung - von durchschnittlich 34 Prozent im Jahr 2006 auf 46 Prozent im Jahr 2012 erhöht. Maßgeblich schuld ist laut ILO die teils dramatische Sparpolitik mit zunächst steigender Arbeitslosigkeit als Folge: »Die Zunahme des Unruhe-Risikos in der Europäischen Union ist wahrscheinlich ein Ergebnis der politischen Reaktionen auf die Staatsschuldenkrise und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen sowie deren Wahrnehmung von Wohlstand«, heißt es in dem Bericht.

So befinde sich die Eurozone seit dem dritten Quartal 2011 in einer Rezession, während die Arbeitslosigkeit dort die Rekordhöhe von mehr als 12 Prozent erreicht habe. Zugleich gehe die Einkommensschere in der Eurozone weiter auseinander. »Dieses düstere wirtschaftliche Szenario hat ein fragiles Umfeld geschaffen, in dem immer weniger Menschen Möglichkeiten sehen, einen guten Job zu bekommen und ihren Lebensstandard zu verbessern«, so der ILO-Bericht.

Am stärksten habe die Gefahr von sozialer Auflehnung in Zypern, Tschechien, Griechenland, Italien, Portugal, Slowenien und Spanien zugenommen. Deutschland gehört zu den Ländern mit deutlich gesunkenem Unruhe-Risiko.

Überhaupt bekommt die Bundesrepublik im Wahljahr 2013 von der UN-Sonderorganisation vergleichsweise gute Noten: Die Beschäftigungsrate - der Anteil aller Menschen im arbeitsfähigen Alter, die einen Job haben - sei in Deutschland von 54,7 Prozent Ende 2007 auf 57,1 Prozent Ende 2012 gestiegen. Zwischen 2007 und 2012 seien in der Bundesrepublik mehr als 2 Millionen neue Jobs geschaffen worden; allerdings gebe es Defizite hinsichtlich der Qualität der Jobs. So sei der Anteil von Beschäftigten mit niedrigsten Löhnen oder in Zeitarbeit in der Bundesrepublik nicht weiter zurückgegangen.

Eine positive Entwicklung verzeichneten im EU-Raum auch die Arbeitsmärkte in Österreich, Ungarn, Luxemburg, Malta, Polen und Rumänien. Auch dort liegen die Beschäftigungsraten über dem Vorkrisen-Niveau. Hingegen seien sie in Zypern, Griechenland, Portugal und Spanien in den letzten zwei Jahren um jeweils 3 Prozentpunkte gesunken. Insgesamt müssten in den 27 EU-Ländern fast 6 Millionen neue Jobs entstehen, allein um das Vorkrisen-Niveau bei der Beschäftigung wieder zu erreichen.

Im weltweiten Vergleich zeigt sich laut ILO immer stärker ein Ungleichgewicht bei der Arbeitsmarktlage: Während die Mehrzahl der europäischen und andere industrialisierte Länder immer noch mit den Krisenfolgen ringen, gehe in aufstrebenden Volkswirtschaften und vielen Entwicklungsländern der Aufschwung weiter.

Auffallend sei dabei auch, dass im Weltmaßstab der Anteil der aufstrebenden Länder an produktiven Investitionen stark auf 47 Prozent zugenommen habe. Damit sei auch die Beschäftigung in diesen Ländern gestiegen. Die entwickelten Industriestaaten seien 2012 bei den weltweiten Investitionen nur noch auf einen Anteil von knapp über einem Drittel gekommen - verglichen 60 Prozent im Jahr 2000.

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