Lkw-Fahrer, die gegen Weltmeister auflaufen
Die Amateurfußballer Tahitis sind die prädestinierten Publikumslieblinge beim Confed-Cup
Das Trainingsgelände des brasilianischen Zweitligisten, auf dem die Fußball-Nationalmannschaft Tahitis eine Einheit absolviert, hat schon bessere Zeiten gesehen. Müde liegt der Rasen im Abendlicht, die Sonne hat das Gras gelb und fleckig werden lassen. Am Horizont erheben sich statt langer Strände und türkisblauem Wasser die Betonschluchten von Belo Horizonte. Spieler und Trainer sind trotzdem begeistert. »Das ist wie im Film. Einen solchen Rasen gibt es bei uns nicht. Wir haben Meer und Sand, aber keine guten Fußballplätze. Gefühlt könnten wir nicht weiter von zu Hause entfernt sein« sagt Trainer Eddy Etaeta.
Die Elf aus dem Pazifik ist am vergangenen Freitag als erster der acht Teilnehmer des am Samstag beginnenden des Confederations Cups in Brasilien gelandet. Was für die Profis ihrer Gegner völlig normal ist, erstaunt Tahitis Spieler. »Meine Spieler sind zum ersten Mal Business Class geflogen. Viele waren noch nie auf einem anderen Kontinent oder haben mit der Presse gesprochen«, erzählt Etaeta. Daher habe er ihnen gesagt, dass sie jetzt ein Märchen erleben werden, »aber schnappt nicht über, denn es endet auch wieder.« Das Märchen begann, als die Toa Aito am 10. Juni 2012 die Ozeanienmeisterschaft gewann. Seither ist auf dem Archipel von der Größe Rügens nichts mehr wie es war. Es gibt nun Pressesprecher und sogar Physiotherapeuten.
»Wer wusste vorher schon, dass Tahiti ein Fußballteam hat? Selbst von unseren 200 000 Einwohnern höchstens die Hälfte! Jetzt können wir nicht nur unser Land, sondern auch den Amateurfußball in aller Welt repräsentieren«, sagt Stürmer Steevy Chong Hue. Er schoss beim 1:0-Sieg im Finale über Neukaledonien das entscheidende Tor. Bis zu diesem Tag hatten ausschließlich Australien und Neuseeland den Titel unter sich ausgemacht. Nun qualifizierte sich erstmals eine Amateurmannschaft für ein großes internationales Turnier. Beim Confederations Cup trifft der Inselstaat, Weltranglistenplatz 139, neben Uruguay und Nigeria auch auf Weltmeister Spanien. »Als ich erfuhr, dass wir gegen sie auch noch im Maracanã spielen, musste ich mich setzen«, sagt Etaeta.
Seit drei Monaten versucht er sein Team auf den sportlichen Kulturschock vorzubereiten. »Zuhause spielen wir vor 100 bis 200 Zuschauern, in Rio werden es fast 80 000 sein. Da müssen wir aufpassen, dass uns die Atmosphäre nicht lähmt.« An das höhere Niveau hat sich Tahiti mit Testspielen gegen Jugendteams vorsichtig herangetastet, gegen die U20-Auswahl Chiles kassierte man kürzlich eine 0:7-Niederlage.
Einziger Profi ist Marama Vahirua vom griechischen Klub Panthrakikos. Zehn Spieler sind arbeitslos, die anderen Strandverkäufer, Supermarktmitarbeiter, Touristenführer. Trainiert wird nach Feierabend. Während des Aufenthalts in Brasilien bekommen die Spieler für den Verdienstausfall eine Entschädigung in Höhe des Mindestlohns.
»Seit drei Monaten verbringen wir jeden Tag zusammen. Das hilft uns, aber wir werden keine Wunder herbeizaubern können«, sagt Lkw-Fahrer Jonathan Tehau, der mit Cousin Teaonui und seinen Zwillingsbrüdern Alvin und Lorenzo 15 von 20 Toren Tahitis in der Qualifikation schoss. »Wenn das Turnier vorbei ist, gehe ich wieder arbeiten.«
Dass sie am Confederations Cup teilnehmen, weiß auf Tahiti kaum einer. Nationalsport sind Bootsrennen mit einbaumähnlichen Pirogen. »Bei unserer Ankunft in Brasilien nachts um eins waren Kamerateams und Fans am Flughafen. Ich glaube, wir haben hier bereits mehr Anhänger als zu Hause«, sagt Etaeta.
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