Das gewandelte Bild vom ledigen Vater
Fragen & Antworten zum neuen Sorgerecht
Ledige Väter galten früher oft als »Rabenväter«, die mit dem Ergebnis ihres »Ausrutschers« nicht viel zu tun haben wollten. Heute wird jedes dritte Kind im Westen und mehr als jedes zweite Kind im Osten von einer unverheirateten Mutter geboren. Viele ledige Väter wollen Unterhalt zahlen, aber auch Verantwortung übernehmen für Erziehung und Aufwachsen des Kindes. Das nunmehr am 19. Mai 2013 in Kraft getretene neue Sorgerecht trägt dieser gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung.
Wie sieht der Idealfall aus?
Mit der Geburt erhält die Mutter zunächst rechtlich die alleinige Sorge zugesprochen. Am einfachsten ist es, wenn Vater und Mutter gemeinsam - am besten vor der Geburt - beim Jugendamt mit der Anerkennung der Vaterschaft erklären, das Sorgerecht gemeinsam ausüben zu wollen. Das war zwar seit 2005 auf der Basis des alten Gesetzes auch schon möglich, aber nur, wenn die Mutter einverstanden war. Altfälle beschäftigen noch immer die Familiengerichte.
Was ist nunmehr neu am veränderten Sorgerecht?
Der Kindesvater kann das gemeinsame Sorgerecht nunmehr auch allein beim Jugendamt beantragen. Will die Mutter das nicht akzeptieren, kann der Kindesvater das Familiengericht anrufen. Im gerichtlichen Verfahren erhält die Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Frist dafür endet frühestens sechs Wochen nach der Geburt.
Was ist entscheidend für die Beteiligung am Sorgerecht?
Die Beteiligung am Sorgerecht kann dem Kindesvater nur noch dann verwehrt werden, wenn schwerwiegende Gründe dagegen sprechen. Entscheidend ist nach dem Gesetz allein das Kindeswohl. Grundsätzlich wird zunächst davon ausgegangen, dass es dem Kind dient, wenn beide Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben.
Führt die veränderte gesetzliche Neuregelung nicht zu einer weiteren Belastung der Familiengerichte?
In der Regel soll das Familiengericht in einem beschleunigten und vereinfachten Verfahren entscheiden.
Eine Anhörung des Jugendamts und eine persönliche Anhörung der Eltern gelten zunächst als entbehrlich, sofern die Mutter entweder gar nicht Stellung nimmt oder Gründe für eine Versagung vorträgt, die mit dem Kindeswohl nicht im Zusammenhang stehen.
Kann der ledige Vater auch das alleinige Sorgerecht erhalten?
Nach der Neuregelung grundsätzlich ja. Bisher war dies nur in Ausnahmefällen möglich oder wenn die Mutter einverstanden war. Mit dem neuen Gesetz kann dem Vater der Zugang zur Alleinsorge auch ohne Zustimmung der Mutter eröffnet werden. Voraussetzung ist, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Wie kam es zu der Neuregelung?
Klagen von ledigen Vätern aus Deutschland beschäftigen seit über 15 Jahren den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In mehreren Urteilen wurde die rechtliche Bevorzugung der Mutter beim Sorgerecht beanstandet. 2010 stellten die Karlsruher Richter fest, dass das alte Sorgerecht »unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes eingreift«.
Findet die Neuregelung ungeteilte Zustimmung?
Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) oder auch Unterhalts- und Familienverbände hätten es besser gefunden, wenn nicht erst auf Antrag, sondern im Regelfall schon von Geburt an beide Elternteile automatisch das Sorgerecht erhalten würden - so wie dies bei Verheirateten auch der Fall ist. Die Kritiker verweisen darauf, dass nichteheliche Kinder schließlich beim Unterhaltsrecht und beim Erbrecht den ehelichen inzwischen auch gleichgestellt sind. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.