Wunschkonzert im Elysée

»Große Sozialkonferenz« soll vor allem für versöhnende Töne sorgen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine »Große Sozialkonferenz für Beschäftigung« beginnt an diesem Donnerstag im Pariser Elysée-Palais mit einem Treffen von Präsident François Hollande mit den Vorsitzenden der fünf wichtigsten Gewerkschaftsverbände und der drei repräsentativsten Unternehmerverbände.

Dem Auftakt im Elysée folgen zwei Tage lang Gespräche zwischen den Sozialpartnern in sechs thematischen Arbeitsgruppen, bevor Premier Jean-Marc Ayrault am Freitagnachmittag eine erste Bilanz zieht und die Marschroute für Verhandlungen vorgibt, die mehrere Monate dauern dürften.

Auf der Tagesordnung stehen die nach Meinung der Linksregierung herangereiften Reformen der Beschäftigungsförderung, des Sozialversicherungssystems und hier vor allem der Renten sowie der Export- und Konjunkturförderung.

Schon mit dem Titel der Konferenz will die Regierung deutlich machen, dass es vor allem um den Kampf gegen weiter steigende Arbeitslosigkeit geht, den Hollande zum wichtigsten Schwerpunktthema seiner Amtszeit erklärt hat. Nicht zuletzt soll so verhindert werden, dass die Diskussionen über das brisante Thema der Rentenreform alle anderen Anliegen überschatten. Seit die Linke nach der Wahl von Präsident François Mitterrand 1981 das Rentenalter auf 60 Jahre gesenkt hat, gingen alle fünf Reformen des Rentensystems, die durchweg auf Einschnitte hinausliefen, von der Rechten aus. Jetzt packt erstmals eine Linksregierung das Thema der »strukturellen Schieflage des ganzen Systems« an, die Sozialministerin Marisol Touraine einräumt. Dahinter stehen die Forderungen der EU-Kommission im Gegenzug dafür, dass für Frankreich die Frist für die Einhaltung der 3-Prozent-Grenze für die Neuverschuldung um weitere zwei Jahre hinausgeschoben wurde.

Dabei steht an erster Stelle die Forderung, das Rentensystem »bis 2020 zu stabilisieren«, indem das Rentenalter hochgesetzt und die Sonderrentenregime beschnitten werden. Weiter fordert Brüssel, im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen die Lohnnebenkosten zu senken, das Arbeitsrecht weiter zu »flexibilisieren«, die Vorschriften »abzuspecken«, den monopolgleichen Schutz bestimmter Gewerbe abzuschaffen und das Steuersystem zu »verschlanken«. Unter dem Motto des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit fordert Brüssel, das Arbeitslosengeld schneller zu kürzen und so stärker Druck auf die Arbeitslosen auszuüben, beliebige Angebote zu akzeptieren.

Zwar hat Hollande erklärt, Frankreich lasse sich seine Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht »durch Brüssel diktieren«, doch in der Praxis ist die Linksregierung durchaus empfänglich für die Vorschläge der EU-Kommission. Der Zeitpunkt für einschneidende Reformen scheint günstig zu sein, weil die Krise große Teile der französischen Öffentlichkeit zur Überzeugung gebracht hat, dass Abstriche unvermeidlich sind, wenn man die Gesamtheit des sozialen Sicherungssystems retten will. Vor allem jedoch sieht sich die Linksregierung keiner geschlossenen Front der Gewerkschaften gegenüber. Die sind in zwei Lager gespalten.

Das inzwischen per Gesetz umgesetzte Abkommen über die »Flexibilisierung des Arbeitsmarktes«, das auf viele Forderungen der Unternehmer eingegangen ist, wurde durch die Mehrheit der Gewerkschaften unter Führung der reformistischen CFDT verabschiedet. Dagegen hat der CGT-Vorsitzende Thierry Lepaon am Vorabend der Sozialkonferenz betont, wie sehr die arbeitenden Franzosen enttäuscht sind über die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Linkregierung und die Nichteinhaltung von Wahlversprechen durch Hollande.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -