Der Trick mit dem Gewerbemüll
LINKE: Dumpinglohn für Segeberger Müllwerker
»Der WZV speist die Hälfte seiner Müllwerker mit einem Dumpinglohn ab, der teilweise noch unter den zu erwartenden, gesetzlichen Mindestgrenzen liegt.« Diesen Vorwurf gegen den Wegezweckverband des Kreises Segeberg erhebt der Fraktionschef der Segeberger LINKEN, Heinz-Michael Kittler, seit Monaten. Ihm zufolge hat der Verband 2003 vor allem deshalb die WZV Entsorgung GmbH & Co. KG ausgegründet, um den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVÖD) zu umgehen. Folge für die Betroffenen sei ein um bis zu 300 Euro niedrigeres Gehalt.
Das Kunden-Argument
Dem widerspricht WZV-Vorstand Jens Kretschmer energisch. Er wandte sich Ende April sogar schriftlich an den Kommunalpolitiker: »In Abwägung zwischen günstigen Preisen für unsere Kunden und angemessenen Löhnen hat der WZV entschieden, den Mitarbeiter/innen seines Tochterunternehmens die Tarife der privaten Entsorgungswirtschaft zu bezahlen.« Im Übrigen begründet Kretschmer das Outsourcing mit Kundenwünschen: »Die gewerblichen Kunden wollen die Umsatzsteuer auf ihrer Rechnung ausgewiesen haben, das konnten wir als kommunaler Entsorger nicht machen.« Lohnunterschiede von 300 Euro seien dennoch »Unsinn«: 1849 Euro brutto zahle der WZV als Einstiegslohn, 1855 Euro die Entsorgungs GmbH. Bei geringfügig höheren Arbeitszeiten verdienten die Müllwerker der Ausgliederung damit gerade einmal 20 Cent pro Stunde weniger.
Das bestätigt auch Andreas Wübben, Fachbereichsleiter bei ver.di Lübeck/Ostholstein. Doch zusätzlich, so Wübben, müssten die fast 100 Müllwerker der GmbH auch auf fünf Tage Urlaub, Teile der Jahressonderzahlung und soziale Sicherungen verzichten. Außerdem lehne sich die GmbH lediglich an die Tarifverträge des Bundesverbands der privaten Entsorger (BDE) an. Dass die Ausgründung notwendig sei, um auf dem Markt für Gewerbemüll mitzuhalten, hält Wübben für ein Märchen: »Gewerbemüll - das machen kommunale Entsorger nebenbei mit, aber sie verdienen damit kein Geld.«
So sieht es auch Hauke Borchardt, Sprecher der Stadt Norderstedt, die ihre Müllabfuhr unabhängig vom WZV organisiert: »Die Aufgaben eines Entsorgers werden von der Stadt Norderstedt und dem WZV sehr unterschiedlich interpretiert.« Hauptziel sei nicht, Gewerbemüll zu entsorgen, sondern den Abfall der privaten Haushalte. Dabei beschäftige das Norderstedter Betriebsamt nur eigenes Personal, bezahlt nach TVÖD. Dass so nicht überall gehandelt wird, zeigt auch das Beispiel der Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde (AWR), die samt ihrer 1992 ausgegliederten GmbH´s überhaupt keine Müllwerker mehr beschäftigt. Laut Sprecherin Miriam Brand werden hier alle Entsorgungsleistungen ausgeschrieben.
Im Segeberger Kreistag ist es in dieser Angelegenheit um die LINKE inzwischen einsam geworden. »In der Sache stehen wir voll hinter der Kritik«, sagt zwar SPD-Fraktionschefin Edda Lessing, allerdings sei die Kommunalpolitik für Fragen der Lohnfindung schlicht nicht zuständig und das wisse auch »der Herr Kittler«.
Was kann der Kreistag?
Lessing sieht die Gewerkschaften in der Pflicht, die ja schließlich die unterschiedlichen Tarifverträge unterschrieben hätten. Kopfschütteln bei Wübben, Protest bei Kittler: »Der Kreistag hat Ausgliederung und Verbandsvertrag beschlossen, natürlich kann der Kreis die nötigen Konditionen schaffen, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erzwingen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.