Werbung

Pfarrer König wähnt sich chancenlos

Der Theologe rechnet mit einer Verurteilung nach Protesten gegen Neonazis in Dresden

  • Lesedauer: 3 Min.
Jenas Jugendpfarrer soll bei einer Anti-Neonazi-Demonstration am 19. Februar 2011 zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. Er selbst bestreitet das. Vor Gericht sieht sich Lothar König entlastet. Dass ihm das hilft, glaubt er nicht.

Dresden (Agenturen/nd). Jenas Stadtjugendpfarrer Lothar König sieht sich im Prozess wegen schweren aufwieglerischen Landfriedensbruchs in den wesentlichen Anklagepunkten entlastet. Trotzdem glaubt er an eine Verurteilung. »Ich habe die Befürchtung, dass der Urteilsspruch schon feststeht«, sagte König am Donnerstag während des Verfahrens am Amtsgericht Dresden.

Der Pfarrer räumte bei der Verhandlung ein, es könne sein, dass er bei den Protesten mit dem blauen Lautsprecherwagen in der Nähe gewesen sei, als Steine geflogen sind. Auch wenn er das nicht gewollt habe. Er sei nicht nach Dresden gefahren, »um Leute zu schädigen« und zu Gewalt aufzurufen, beteuerte er. Wenn das Gericht diese Taten ihm zurechnen wolle, dann »habe ich hier doch keine Chance«.

Vorausgegangen war der Äußerung Königs eine Bemerkung des Vorsitzenden Richters Ullrich Stein. Stein sagte, nicht nur die konkreten Tatvorwürfe würden bei der Urteilsfindung berücksichtigt, sondern auch das Verhalten Königs während des ganzen Tages. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Theologen vor, bei der Demonstration gegen den Neonaziaufmarsch in der Stadt unter anderem zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen zu haben. Der 59-Jährige bestreitet das.

In der Debatte um die Tonspuren der umstrittenen Videobeweise erklärte der zuständige Sachbearbeiter am Donnerstag vor Gericht, dass diese nicht nachträglich bearbeitet worden seien. Er habe in seiner Dienststelle keine Technik zur Verfügung gehabt, um einzelne Tonspuren zum Beispiel zu verstärken, sagte der Polizist. Was die auf den Videos handelnden Personen sagen, hätten Polizisten bei mehrfachem Anschauen der Szenen zu verstehen versucht.

Hintergrund ist, dass es völlig unterschiedliche Angaben dazu gibt, welchen Inhalt die Tonspuren haben und was König an diesem Tag gesagt haben soll. Die Staatsanwaltschaft Dresden behauptet in ihrer Anklage, auf einem der Videos sei König zu hören, wie er sage: »Für die Polizisten aus Berlin - die werden sich langweilen, werden auch piesacken - so schaut doch mal die Polizisten.« Die Verteidigung dagegen versteht die gleiche Tonspur völlig anders. Nach ihrer Auffassung sagt König, die Polizeibeamten aus Berlin »werden okay sein«.

Heftige Diskussionen um den Jugendpfarrer gab es im Erfurter Landtag, nachdem König am Sonntag in Kahla mit dem Thüringer Demokratiepreis ausgezeichnet wurde. CDU und FDP kritisieren die Preisverleihung. Am Mittwoch kam es im Landtag zu einem heftigen Schlagabtausch. Während die SPD ebenso wie Linkspartei und Grüne die Auszeichnung begrüßten, bezeichneten CDU wie auch die FDP-Opposition die öffentliche Würdigung während des laufenden Gerichtsverfahrens gegen König als respektlos gegenüber dem Rechtsstaat. Als nächster Prozesstermin vor dem Dresdner Amtsgericht ist bisher der 5. Juli angesetzt.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!