Eine Nacht der Spekulationen

Basketballtalent Dennis Schröder spielt ab sofort bei den Atlanta Hawks in der NBA

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ziehung der Lottozahlen wird ab kommender Woche im deutschen Fernsehen eingestellt. Die US-Amerikaner machen aus ihrer eigenen ein Medienspektakel. Nun gut, es ging nicht um Zahlen, sondern um echte Menschen, die in der Nacht zum Freitag beim NBA Draft »gezogen« wurden, aber an Überraschungsmomenten, Gefühlsausbrüchen sowie komplizierten Regularien mangelte es auch dieser Veranstaltung nicht.

Im Grunde ging es im New Yorker Madison Square Garden darum, welche jungen Basketballtalente von welchen Klubs der besten Profiliga der Welt angeheuert werden, und das nach einem für die USA geradezu kommunistischen Muster. Denn hier kamen nicht diejenigen zuerst zum Zug, die den Spielern das meiste Geld bieten konnten. Vielmehr ging es um einen Chancenausgleich. Die Schwächsten durften die Ersten sein, so verlangen es die Regeln der US-Profiligen. Die genaue Rangfolge wurde zuvor wirklich nach einer Lotterie festgelegt. Deren Arithmetik ist furchtbar kompliziert. Nur so viel: Je schwächer ein Team, desto höher die Chance auf den ersten Zug - englisch: »Pick« - beim Draft.

Diesmal machten die Cleveland Cavaliers den Anfang und suchten sich einen gewissen Anthony Bennett von der Uni Las Vegas aus. Schon ging das erste Raunen durch den Saal und die Kommentatoren überschlugen sich mit »Wahnsinn!«, »Unglaublich!« und »Sensation!«-Rufen. Viele hatten auf Nerlens Noel als Pick Nummer 1 gewettet. Der saß nun bedröppelt da - noch eine knappe Stunde lang. Sein Kreuzbandriss hatte den Klubmanagern offenbar Angst gemacht und Noel fiel schließlich bis auf Platz sechs zu den New Orleans Pelicans hinab.

Selbst jetzt war ihm noch nicht klar, ob er wirklich nach Louisiana fliegen würde, denn es hielten sich lange Gerüchte, dass ihn die Pelicans in einem Tauschgeschäft gleich weiterreichen würden. Diese Deals machen das Ganze erst richtig kompliziert. Da »zieht« ein Team für das »andere« und bekommt dafür einen Pick im nächsten Jahr, Geld oder einen anderen Spieler aus dem Kader. Kommentatoren sind spätestens ab dem zehnten Spieler nur noch am Spekulieren: »Passt der zu Minnesota?« »Geben sie ihn nach Boston?« »Lassen sie ihn noch ein Jahr in Europa spielen, um Geld zu sparen?« ... Wer das nicht schon zehnmal mitgemacht hat, steigt aus und wartet nur noch auf den Namen des Lieblingsspielers oder die Wahl des Lieblingsteams.

Die deutschen Fans warteten auf den Namen von Dennis Schröder. Dem 19-jährigen Braunschweiger war zugetraut worden, schon an Nummer 9 gezogen zu werden. Am Ende war die 17 seine Glückszahl. Nicht nur, weil der schnelle Spielmacher überhaupt einen Klub überzeugen konnte. Die Atlanta Hawks wollen ihn sogar behalten. »Dennis ist ein toller Abwehrspieler und hat viel Energie. Wenn er sich weiterentwickelt, liegt eine große Karriere vor ihm«, sagte Manager Danny Ferry. Ganz sicher war er sich nicht, aber an diesem Abend ging es ohnehin nur ums Spekulieren. »Jetzt wollen wir ihn so schnell wie möglich im Sommertraining sehen.«

Trainer Mike Budenholzer fügte hinzu, er sei »sehr gespannt auf Dennis. Er ist schnell und kann unser Spiel in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Wir hatten ihn immer auf unserer Liste und waren froh, als wir ihn uns so spät noch schnappen konnten.« Schröder spielte den Lobesball umgehend zurück: »Die Hawks sind ein super Team und bieten mir eine gute Situation«, sagte er US-Medien über Skype aus dem heimischen Wohnzimmer. Übersetzt heißt das wohl: »Die haben noch nicht viele Verträge unterschrieben. Da könnte ich sogar Spielzeit bekommen.« Ein passend unsicheres Ende einer Nacht der Spekulationen.

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