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Vergessen in der Wüste?
Conni Gunßer ist aktiv beim Flüchtlingsrat Hamburg
nd: Seit Ende Juni befinden sich rund 500 Menschen im Flüchtlingslager im tunesischen Choucha, das geschlossen wird, in einer dramatischen Lage. Wie ist die Situation?
Gunßer: Die noch im Camp Lebenden erhalten keinerlei Nahrungsmittel. Die Toiletten wurden abgerissen, die Wasser- und Elektrizitätsversorgung gekappt. Die Menschen werden ausgehungert und ohne Wasser zum Sterben verurteilt. Europa weigert sich Flüchtlinge aufzunehmen, das UNHCR beendete das Resettlementprogramm mit Ende des Libyenkriegs. Zurück in ihre Herkunftsländer können die meisten nicht, weil sie dort verfolgt wurden. In Libyen sind Schwarze noch immer mit Inhaftierung als angebliche Söldner Gaddafis sowie durch rassistische Übergriffe oder Mord bedroht. Das UNHCR bietet »lokale Integration« in Tunesien mit geringfügigen finanziellen Hilfen an.
Kann das funktionieren?
Dieses Programm ist wegen der instabilen politischen Lage und der hohen Arbeitslosigkeit zum Scheitern verurteilt. Auch dort sind rassistische Übergriffe Alltag. Tunesien hat bis jetzt kein Asylgesetz, selbst anerkannte Flüchtlinge bekommen keinen legalen Status.
Was geschah mit den anderen vielen Tausend Flüchtlingen, die in dem Lager lebten?
Zu Beginn des Libyenkriegs im Februar 2011, als das Lager im Wüstengebiet an der tunesisch-libyschen Grenze vom UNHCR eröffnet wurde, befanden sich dort bis zu 20 000 Flüchtlinge, vor allem aus Subsahara-Afrika. Sie waren vor den Bomben der NATO und Massakern gegen Schwarze seitens der »Aufständischen« geflohen. Die Mehrheit ist mittlerweile unter Druck in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt: Andere versuchten, unter Lebensgefahr per Boot Europa zu erreichen. Etwa 3500 wurden per sogenanntem Resettlement in Drittstaaten umgesiedelt.
Auch in Tunis kämpfen Flüchtlinge um ihre Rechte, Ende März hatte dort ein Hungerstreik begonnen.
Der nach mehreren Wochen beendete Hungerstreik wurde von etwa 100 anerkannten Flüchtlingen, denen das Resettlement verwehrt wurde, durchgeführt. Im Januar 2013 belagerten bereits etwa 100 abgelehnte Asylsuchende eine Woche lang das UNHCR-Gebäude in Tunis. Sie forderten die Wiederaufnahme ihrer Asylverfahren. Gemeinsam mit den Anerkannten verlangen sie nun die Aufnahme in einem Land, in dem ihre Rechte garantiert sind. Das UNHCR und die tunesische Regierung scheinen sich eher den Forderungen der EU-Flüchtlingspolitik zu unterwerfen, deren Ziel ist, den Zugang für Unerwünschte abzuschotten und den »Flüchtlingsschutz« in Länder an den Rändern der EU auszulagern.
Wie konnte der Flüchtlingsrat die Proteste unterstützen?
Im Mai 2011 war ich mit einer Delegation aus Mitgliedern weiterer migrationspolitischer Netzwerke in Choucha. Mit Pro Asyl und medico international haben wir anschließend den Appell »Voices from Choucha« gestartet, den mehr als 2000 Menschen unterschrieben. Das und weitere Aktionen trugen - neben den Protesten der Flüchtlinge - dazu bei, dass die deutsche Innenministerkonferenz im Dezember 2011 den Beschluss fasste, 200 Menschen aus Choucha aufzunehmen. Es wäre kein Problem auch die in Choucha Ausharrenden in Europa zu integrieren.
Fragen: Martin Dolzer
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