Having a good time
ZZ Top danken Festivalgründer Nobs mit musikalischer Hommage
Gegen 22.30 Uhr traten die Männer mit den Bärten auf die Bühne des Auditorium Stravinski. Das Aussehen der Frontmänner Billy Gibbons und Dusty Hill hat sich in den letzten Jahrzehnten nur minimal verändert – die langen Mäntel etwa wichen aktuell bunt bestickten Jacketts. Der Dritte im Bunde, Drummer Frank Beard – trotz des Namens fällt er barttechnisch deutlich aus dem Rahmen – gibt in gewisser Weise das Bildnis des Dorian Gray – sein graues Haar kontrastiert die ewig in rotblonder Farbe wippenden Vollbärte seiner Mitstreiter. Deren Barttracht kann übrigens zu Fasching und Halloween auch käuflich erworben werden. ZZ Top sind eine in Jahrzehnten in Beton gegossene Musikmarke – Überraschungen gibt es kaum. Die Synthesizer der 1980er Jahre haben sie schon lange verschrottet und sich auf schnörkellose Handarbeit verlegt.
Das Bluesrock-Trio wie mit der Zeitmaschine aus der Vergangenheit transferiert – eine derart testosterongelade Machowelt ist heute unvorstellbar. Es sei doch ganz einfach, meint Billy Gibbons eingangs: „That’s what it’s all about – having a good time.“ Und gute Zeiten bei den Bluesrockern bestehen aus Frauen – allesamt wie von Russ Meyer gecastet und spärlichst bekleidet, Autos und Booze. Über die Reihenfolge darf gestritten werden, aber ohne diese Ingredienzien kann es keine „fine time“ für die Jungs aus Texas geben. Bei ihren Grooves sitzt alles passgenau, sie verziehen keine Wimper – wobei es auch schwierig sein dürfte, Einblicke in die Mimik der beiden Aushängeschilder zu erlangen, denn Bärte, lange Haare, Hüte und Sonnenbrille lassen einzig die Nasenspitzen der beiden ungeschützt. Die drei liefern einen Sound, der nach mindestens acht, eher zwölf Zylindern klingt, kompakt und treibend – „gotta groove it up.“ Besonders die Einmanngitarrenmacht Gibbons liefert erstaunlich kraftvolle Schwerstarbeit ab. Sie lassen sich ebenfalls Old-School Zeit für Soli und Gibbons zieht genüsslich sein Plektron über den Gitarrenhals. Im übervollen Auditorium erkennen die Zuhörer schon am Einsatz der Drums oder an den ersten Tönen des Riffs, welcher der zeitlos gealterten Hits gerade ansteht.
Sie sind auf der Suche nach der „Foxy Lady“, dabei stets „under pressure“, rufen als Schlachtruf „Gimme all your loving“ und preisen die Beine ihrer Eroberungen „she’s got legs and she knows how to use them.“ Klar, dass sie sich als „Sharp dressed men“ mit goldenen Uhren und Diamanten geschmückt ins Gefecht werfen. Und manchmal auf der Autobahn – Fatamorgana oder Realität sei dahingestellt – sehen sie „a naked cowgirl.“ Fette Gitarren und sparsame Showeinlagen – die beiden Bärte schwenken die Gitarren und bewegen ihre Fußspitzen synchron – sonst wurde man vom der Hauptsache abgelenkt. Und die hatten wir schon eingangs.
Doch 2013 machten sie eine Ausnahme und holten zwei Freunde – extra für den Abend aus Texas eingeflogen – auf die Bühne und improvisierten zum Andenken an Festival-Gründer Claude Nobs. Dieser sei ein sehr guter Freund der Band gewesen und deshalb müssten sie nun – unter klangvoller Mithilfe des Hammond-Orgel-Zauberers Mike Flanigin – „funky and jazzy“ klingen. Die Hommage wurde mit vielen Schwarz-Weiß-Bildern Nobs auf Großleinwand begleitet und besonders häufig ein Foto das ihn mit weißem Hut, Sonnenbrille und Mikrophon bei einer Ansage zeigt. Die von Dusty Hill mit enormem Stimmeinsatz vorgetragene bluesige Liebererklärung dürfte sich an diesem Abend weniger an die besungene Frau denn an den verlorenen Freund gerichtet haben. Dem hätte das gefallen, meinten die beiden, „it keeps the Party going.“ Im Foyer findet sich ein Poster mit der Botschaft »Claude and the Artists: 50 Years long Friendship.« ZZ Top haben sich dafür eindrücklich bedankt. Die aus der Zeit gefallen Männern mit Bärten kehrten zum Finale wieder auf ihre bekannte Autobahn und brachten den Saal mit dem krachenden „La Grange“ in Höchststimmung. Ein Helfer reicht Gibbons einen Zigarrillo , denn kurz vor Feierabend darf man sich schon mal was gönnen.
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