Merkel will de Maiziere auf keinen Fall gehen lassen

Opposition erhöht vor Auftritt im Untersuchungsausschuss den Druck auf Verteidigungsminister / »Euro-Hawk«-Hersteller sagt am Montag aus

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin (Agenturen/nd). Der Drohnen-Untersuchungsausschuss des Bundestages geht in eine entscheidende Phase. Mit der Befragung der »Euro-Hawk«-Hersteller setzt das Gremium am Montag seine Zeugenvernehmungen fort. Am Mittwoch wird Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) aussagen. Die Opposition greift den Minister inzwischen immer schärfer an. Nach SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück legte auch Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin de Maizière den Rücktritt nahe - doch Angela Merkel will an dem Minister offenbar unter allen Umständen festhalten.

Trittin warf de Maizière Täuschung des Bundestages und der Öffentlichkeit vor. De Maizières Behauptung, erst im Mai von unlösbaren Problemen beim »Euro Hawk« erfahren zu haben, entspreche nicht der Aktenlage und stehe im Widerspruch zu seinen Presseäußerungen, sagte der Grünen-Fraktionschef der »Passauer Neuen Presse«. »Er muss jetzt als Zeuge im Untersuchungsausschuss zu den Vorwürfen klar Stellung nehmen. Er selber hat für einen solchen Fall den Maßstab politischer Verantwortung definiert.«

Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels glaubt nicht, dass der Verteidigungsminister die Widersprüche seiner bisherigen Aussagen zum »Euro Hawk« aufklären kann. »De Maizière wird Mühe haben, seine verschiedenen Schwenks von der einen Strategie zur anderen Strategie zu erklären«, sagte er der »Mitteldeutschen Zeitung«. »Er hat zwei Linien ausprobiert: die Linie ,ich wusste nichts› und die Linie ,lösbar und unlösbar‹. Beides ist Quatsch. Was er jetzt liefern müsste, wäre eine plausible dritte Verteidigungslinie.« Die gebe es aber nicht, so Bartels.

Das Verteidigungsministerium hatte das Projekt im Mai wegen massiver Zulassungsprobleme gestoppt. De Maizière will erst danach vom tatsächlichen Ausmaß der Schwierigkeiten erfahren haben. Am Wochenende war aber ein weiterer Hinweis aufgetaucht, dass schon früh gravierende Probleme beim »Euro Hawk« bekannt waren. Für den US-Hersteller der Drohne, Northrop Grumman, habe schon im Februar 2010 festgestanden, dass der »Euro Hawk« keine Zulassung für den regulären Flugbetrieb in Europa bekommen würde, berichtete die »Bild am Sonntag« unter Berufung auf geheime Firmenunterlagen.

Der Chef von Northrop Grumman, Janis Pamiljans, und der Vorstandsvorsitzende der EADS-Rüstungstochter Cassidian, Bernhard Gerwert, wollen den Abgeordneten heute Rede und Antwort stehen. Beide sind der Auffassung, dass der Stopp des Beschaffungsprogramms für die Aufklärungsdrohne nicht nötig gewesen wäre. Sie halten die Kostenschätzung des Verteidigungsministerium von zusätzlich bis zu 600 Millionen Euro für die Zulassung der Drohne für übertrieben.

Kanzlerin Merkel) ist derweil nach Informationen des »Kölner Stadt-Anzeigers« trotzdem fest entschlossen, de Maizière im Amt zu halten. Nach Angaben führender CDU-Politiker habe Merkel in internen Gesprächen gesagt, dass sie den 59-Jährigen unter keinen Umständen ziehen lassen werde. Das gelte auch für den Fall, dass er ihr den Rücktritt anbieten sollte. Sie sehe de Maizière nicht als Belastung für das Kabinett, sondern im Gegenteil als dessen Stütze.

Ein Mitglied des CDU-Präsidiums sagte dem Blatt: »Ich glaube nicht, dass de Maizière über die Affäre stürzt. Aber er ist sicher angekratzt in seinem Image: Das könnte der potenzielle Kanzlernachfolger sein.« Der Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Drohnen-Untersuchungsausschuss, Joachim Spatz, erklärte gegenüber der Zeitung, »alle einschlägigen Zeugen haben die Äußerungen des Ministers untermauert, dass er bis Mai 2013 nicht mit unlösbaren Problemen bei der Zulassung des Euro Hawks befasst wurde. Im Gegenteil: Die Fachebene hat die Schwierigkeiten der politischen Leitung gegenüber stets als lösbar dargestellt. Ich kenne kein einziges Indiz, das eine Rücktrittsforderung begründen würde.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.