»Wir wollten nicht schon wieder versagen«

Torhüterin Nadine Angerer über ihre Rolle als große Schwester im Team der Europameisterinnen und ihre Zukunft

  • Lesedauer: 3 Min.
NADINE ANGERER kam mit Mütze und einer Tasse Kaffee. Aber ohne Pokal. Der Spielführerin der DFB-Elf stand es fern, etwa mit der Trophäe die Nacht zu verbringen. Obwohl die Torhüterin mit zwei Elfmeterparaden den Grundstein zum achten EM-Titel legte. Am Montag sprach die 34-Jährige über die wilde Partynacht, stressige EM-Momente und ihre bewegte Zukunft.

nd: Haben Sie den EM-Titel ordentlich gefeiert?
Angerer: Ja, wir waren die ganze Nacht zusammen, haben getanzt und getrunken. Feiern kann diese Mannschaft nämlich auch ganz gut.

Sind Sie als Kapitänin so etwas wie die große Schwester für ihre Mitspielerinnen?
Das trifft es. Mein Regiment besteht nicht darin, dass ich etwas vorgebe und die anderen folgen mir. Die Jüngeren müssen ihren eigenen Weg gehen. Man muss sie laufen lassen und nur ein Machtwort sprechen, wenn es nicht läuft.

Mehr zur Fußball-EM der Frauen
 

Triumph mit Tücken: Alexander Ludewig über den 1:0-Finalsieg der deutschen Fußballerinnen

Nach dem 1:0-Finalsieg der deutschen Fußballerinnen gegen Norwegen und dem insgesamt achten EM-Titel für den DFB werden die Frauen am Montag auf dem Frankfurter Römer empfangen. Ob Bernd Schröder applaudieren wird? Zumindest heimlich? Die Kritik des Trainers von Turbine Potsdam am Rande des Turniers, dass der Frauenfußball mehr Männer in entscheidenden Positionen bräuchte, verschwindet durch den Titelgewinn von Bundestrainerin Silvia Neid vorerst endgültig in den dunklen Abgründen des Chauvinismus. Mehr

DFB-Elf feiert achten Titel: Im Finale der Europameisterschaft besiegen Deutschlands Fußballerinnen Norwegen

Die deutschen Fußballfrauen setzten sich am Sonntag in Solna (Schweden) im umkämpften EM-Finale gegen Norwegen mit 1:0 (0:0) durch und holten sich bei ihrer achten Endspielteilnahme zum achten Mal den Europameistertitel. Mehr

Das haben Sie auch getan. Was genau ist vor dem Viertelfinale gegen Italien passiert, als die deutsche Mannschaft dann endlich als Gemeinschaft auftrat?
Nach der Vorrunde war ich ich total sauer. Ich wusste, was in der Mannschaft steckt, dass sie es aber nicht abruft. Wir haben uns dann ohne Trainerin zusammengesetzt. Wir wollten nicht schon wieder versagen wie bei der WM 2011.

Sie konnten als gutes Vorbild vorangehen: Die Bundestrainerin hat ja verraten, dass Sie sechs Kilo für die EM abgenommen haben.
Oh Gott, das wieder. Ich war ja nicht dick vorher, sondern habe einfach mein Training umgestellt.

Wie denn?
Crossfit heißt die Methode. Jede Übung beansprucht ganzheitlich die Muskulatur, möglichst den ganzen Körper. Ich habe jetzt meine besten Ausdauerwerte, meine besten Sprintwerte, meine beste Sprungkraft.

Haben Sie bei den beiden Elfmetern an das WM-Finale 2007 gedacht, als Sie den Elfmeter gegen Brasilien gehalten haben?
Nein. Ich war in diesem Moment einfach sauer. Die Schiedsrichterin hat echt nicht gut gepfiffen, und so wollte ich kein Spiel verlieren. Und dann sollte ich vor dem ersten Elfmeter noch das Handtuch aus dem Tor nehmen. Vor dem zweiten habe ich ihr dann gesagt, sie soll mich endlich in Ruhe lassen.

Nach der WM 2007 sind Sie zur öffentlichen Person geworden: Talkshows, Interviews, PR-Auftritte. Irgendwann wurde Ihnen das zu viel. Gehen Sie mit solchen Anfragen jetzt anders um?
Damals hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommt. Ich weiß, die Dinge jetzt besser einzuschätzen, die mir wichtig und nicht wichtig sind. Man kann bei einer Talkshow ja auch Dinge vermitteln, die einem wichtig sind.

Ihr Leben geht bewegt weiter: Im September folgt das Engagement in der australischen W-League bei Brisbane Roar, dann geht es in die US-amerikanische Profiliga. Dazu eine Wohnung in Frankfurt am Main, ein Haus auf Fuerteventura. Hört sich abenteuerlich an.
Das ist perfekt. Ich weiß, dass das alles kein Nachteil für mich wird. Ich bekomme neue Mitspielerinnen, sammle Erfahrungen in neuen Ligen. Das ist eine Riesenmotivation für mich.

Gespräch: Frank Hellmann

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.