Die Botschaften der Parteien
Was wirklich zur Wahl steht - Teil I der neuen nd-Serie
Die machen doch sowieso alle das Gleiche, lautet eine verbreitete Meinung über Parteien. Nur ein Viertel der Wahlberechtigten, so das Ergebnis einer aktuellen Studie, können zwischen SPD und Union überhaupt einen Unterschied erkennen. Und: Wer liest schon die seitenlangen Wahlprogramme? Cornelia Hildebrandt und Jochen Weichold haben sich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Forderungen der im Bundestag vertretenen Parteien angeschaut. Was Rot von Gelb und Grün von Schwarz unterscheidet, lesen Sie hier in täglich in einer nd-Serie.
Die im Bundestag vertretenen Parteien gehen mit unterschiedlichen Botschaften in den Wahlkampf. CDU und CSU verweisen auf die positive Entwicklung Deutschlands als »Stabilitätsanker und Wachstumsmotor« inmitten der Krise Europas und geben dies als Erfolg ihrer Regierungspolitik aus. Diese Politik »von Maß und Mitte« soll fortgesetzt werden, ist die Botschaft der CDU/CSU. Damit Deutschland ein Land bleibt, das den künftigen globalen Herausforderungen erfolgreich begegnen kann, müsse es zu einer wettbewerbsfähigen »Chancengesellschaft« entwickelt werden. Zu den Hauptzielen der Union in der nächsten Legislaturperiode gehöre die Sicherung solider Finanzen als Grundlage für stabile wirtschaftliche Verhältnisse und nachhaltiges Wachstum und damit die Umsetzung des Dreiklangs aus »Neuverschuldung stoppen, Schulden zurückzahlen und in die Zukunft investieren«. Deutschland als führender Industrie- und Exportnation gehe es auf Dauer nur gut, wenn es auch Europa gut gehe. Daher wolle die Union, dass Europa gestärkt aus der Krise komme. Insgesamt bietet die CDU/CSU mit ihrem Wahlprogramm einen gut sortierten Gemischtwarenladen, der alle Wählerschichten bedienen will.
Die FDP mausert sich in ihrem Wahlprogramm von der Steuersenkungspartei zur Partei der Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit. Nur die FDP würde garantieren, lautet die neoliberale Botschaft der Partei, dass Deutschland und Europa »richtig« auf die aktuelle Krise reagieren: nämlich mit »mehr wirtschaftlicher Leistungskraft und weniger Staat«. Auch die FDP heftet sich die Erfolgsgeschichte Deutschlands in den Krisen Europas auf ihre Fahnen, präsentiert sich als Verfechterin einer konsequenten Politik der Geldwertstabilität und als Hüterin der Interessen des Mittelstands (Stichworte: »Steuerbremse«, Abschaffung der »Kalten Progression«). Ebenso wie die CDU/CSU verbindet die FDP die sich verändernde ökonomische Stellung Deutschlands innerhalb der Europäischen Union (EU) und im globalen Wettbewerb mit dem Ziel der Erschließung neuer aufstrebender Märkte in Asien, Lateinamerika und Afrika und mit der Erklärung, Deutschland sei bereit, globale Verantwortung zu übernehmen.
Die SPD hält sich zugute, in ihrer Regierungszeit mit einer aktiven Industriepolitik und mit den neoliberalen Reformen der »Agenda 2010« den Grundstein für die relativ erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands gelegt zu haben. Nun müssten allerdings einige Fehlentwicklungen wie der Missbrauch von Leiharbeit, Minijobs und Niedriglohnbeschäftigung korrigiert werden. Generell gelte es, so die Botschaft der SPD, »Deutschland besser und gerechter [zu] regieren« und für »ein neues soziales Gleichgewicht in unserem Land« zu sorgen. Die SPD strebe deshalb eine »Neubegründung der sozialen Marktwirtschaft« an und verbinde dies – gestützt auf ein gerechteres Steuersystem – mit dem Abbau der öffentlichen Schuldenlast, mit wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit.
Im Unterschied zu CDU/CSU, FDP und SPD beziehen sich DIE GRÜNEN nicht primär auf die bisherigen Erfolge Deutschlands und insofern auf den Erhalt des Status quo, sondern stellen vielmehr die Fragen künftiger Entwicklung ins Zentrum ihres Wahlprogramms. Energiewende und Ökologie, Gerechtigkeit und eine moderne Gesellschaft seien für DIE GRÜNEN die zentralen Orientierungen ihrer Politik. Nur mit starken GRÜNEN werde es 100 Prozent sichere Energie ohne Atom und ohne fossile Energieträger geben, werde die Wirtschaft besser und sparsamer mit unseren natürlichen Ressourcen umgehen, vermittelt die Öko-Partei als Botschaft. Sie fordert deshalb »Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen!« als Grundlage für einen grünen Wandel in Politik und Gesellschaft für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr demokratische Beteiligung, für »mehr Frieden« durch mehr zivile Krisenprävention und Abrüstung, für ein »besseres Morgen«.
DIE LINKE rückt unter dem Titel »100 Prozent sozial« ihr Kernthema Soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihres Bundestagswahlkampfes: »Soziale Gerechtigkeit ist das Programm der LINKEN.« Nur mit der LINKEN gebe es eine Kraft, die konsequent gegen Hartz IV, gegen die Rente ab 67 Jahre, für einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde und für den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ist. Nur wenn DIE LINKE im Bundestag vertreten sei, würden die anderen Parteien eine sozialere Politik betreiben, lautet die Botschaft der Partei. Wer Reichtum nicht umverteilen wolle, der könne den Politikwechsel nicht bezahlen. DIE LINKE lege den Finger in die Wunden. Sie gebe denen eine Stimme, die in der großen Politik keine Lobby finden.
»Wahlprogramme der Parteien im Vergleich« von Jochen Weichold und Cornelia Hildebrandt ist erschienen in der Reihe rls papers der Rosa-Luxemburg-Stiftung und kann hier komplett heruntergeladen werden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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