Blockupy ist überall

Landgericht Lüneburg gibt Beschwerde von Atomkraftgegner gegen Polizeikessel beim Castortransport statt

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Gericht hat den Polizeikessel beim Castortransport 2011 für rechtswidrig erklärt. Als Vorwand diente der Polizei damals die angebliche Vermummung einiger Teilnehmer. Schon die Gründe für eine so weitreichende polizeiliche Maßnahme seien nicht ausreichend gewesen, bemängelte nun das Lüneburger Landgericht. Ähnliche Gerichtsentscheide haben bisher nichts an der Praxis geändert.

Bis in die Reihen von FDP und »FAZ« reichte die Empörung über den Polizeieinsatz gegen die Blockupy-Demonstration am 1. Juni in Frankfurt am Main. Die Kritik richtete sich vor allem gegen den Polizeikessel, in dem rund 1000 Menschen bis zu zehn Stunden lang festgehalten wurden und immer wieder Knüppeln und Reizgas ausgesetzt waren. Hunderte Demonstranten wurden erkennungsdienstlich behandelt. Als Vorwand diente der Polizei die angebliche Vermummung einiger Teilnehmer.

Bei Protesten gegen Castortransporte gehören Polizeikessel und Masseningewahrsamnahmen seit vielen Jahren zum Standardrepertoire der Einsatzkräfte. Die Polizei ließ auch nicht davon ab, nachdem diverse Gerichte ihr deshalb unrechtmäßiges Verhalten bescheinigten. Beim bislang letzten Atommülltransport ins Zwischenlager Gorleben im November 2011 wurden rund 1350 Demonstranten erneut stundenlang festgesetzt.

Wieder erklärte ein Gericht dies jetzt wegen schwerwiegender Eingriffe in die Grundrechte für rechtswidrig. Die Richter des Landgerichts Lüneburg gaben mit ihrem Beschluss (10 T 39/13) der Beschwerde eines Betroffenen statt und kassierten eine anders lautende Entscheidung der Vorinstanz. Insgesamt hatten rund 100 Atomkraftgegner geklagt.

Am Nachmittag des 26. November 2011 hatten mehr als 3000 Menschen die Transportstrecke bei Harlingen im Kreis Lüchow-Dannenberg besetzt, um die Weiterfahrt des mit Castorbehältern beladenen Zuges zu behindern. Nachdem die von der Aktion offenkundig überraschte Polizei die Blockierer zunächst gewähren ließ, begannen am Abend die Vorbereitungen für eine Räumung. Auf einer nahen Wiese fuhren die Beamten Fahrzeuge auf und bereiteten einen »Feldgewahrsam« vor. Gegen drei Uhr nachts erklärte die Einsatzleitung die Versammlung für beendet. Ein großer Teil der Demonstranten verließ daraufhin freiwillig die Gleise, die übrigen wurden weggeschleppt und für Stunden in Gewahrsam genommen. Die Räumung selbst dauerte bis halb acht.

Schon die Gründe für eine so weitreichende polizeiliche Maßnahme seien nicht ausreichend gewesen, bemängelte nun das Lüneburger Landgericht. Denn gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei der Entzug der Freiheit »lediglich im Hinblick auf die Verletzung von Strafgesetzen erlaubt.« Konkrete Anhaltspunkte, dass von den Betroffenen Straftaten ausgegangen oder zu erwarten gewesen seien, hätten jedoch nicht vorgelegen. Verschiedene Gerichte hatten Sitzblockaden bis dahin allenfalls als Ordnungswidrigkeit bewertet.

Bei der Räumung der Sitzblockade hätte die Polizei dem Gericht zufolgte zunächst Platzverweise aussprechen und den Demonstranten Zeit geben müssen, das Gelände von sich aus zu verlassen. Schließlich müsse bei einer Fest- oder Ingewahrsamnahme jeder Betroffene unverzüglich einem Richter vorgeführt werden. Dies hatte die Einsatzleitung seinerzeit mit der Feststellung abgetan, dass Hunderte Festgenommene kaum zu einer Einzelfallprüfung vorgeführt werden könnten.

Lediglich 21 Personen wurden zu einem Verwaltungsrichter gebracht. Nun rügte das Landgericht, dass die Polizei zwar genügend Zeit gefunden habe, den Kessel vorzubereiten, aber keine Vorkehrungen getroffen habe, die Festgehaltenen in der Folge auch einem Richter vorzuführen.

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