Behinderten wird die Motivation für Karriere genommen

Onlinepetition für ein Recht auf gleiches Einkommen sorgt für Wirbel / Ministerium kündigt Gesetz an

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Staat übernimmt Kosten für eine Assistenzperson eines Behinderten nur dann, wenn dieser auf Hartz-IV-Niveau lebt.

Constantin Grosch leidet seit der Geburt an Muskelschwund, er kann sich nur im Rollstuhl fortbewegen und braucht im Alltag bei vielen Dingen eine persönliche Assistenz. Doch der 20-Jährige ist ein vielbeschäftigter Mann: Er studiert in Bielefeld Jura und engagiert sich in der Piratenpartei, für die er in Hameln-Pyrmont im Kreistag sitzt.

Sein wichtigstes politisches Anliegen aber will Grosch mit einer Onlinepetition erreichen, die er auf www.change.org lanciert hat und die schon von mehr als 57 000 Menschen unterzeichnet wurde. Darin setzt er sich für ein Recht auf gleiches Einkommen und auf ein Sparguthaben für Menschen mit Behinderungen ein. Ein Ziel hat Grosch mit seiner Initiative schon erreicht: Mittlerweile wird über eine Regelung kontrovers debattiert, welche Menschen, die eine Begleitperson für ihre persönliche Assistenz brauchen, zu einem Leben am Existenzminimum zwingt: Kosten für eine Begleitperson werden vom Staat nur dann übernommen, wenn der Bedürftige auf Hartz-IV-Niveau lebt. Wer Geld verdient, spart oder erbt, muss die Kosten selbst tragen.

Wie hoch diese sind, verdeutlicht Grosch an seinem eigenen Fall. Für seine 16-Stunden-Assistenz müsste er monatlich zwischen 7000 und 8000 Euro aufbringen. Solange er noch Student ist, übernimmt das Sozialamt die Kosten. Aber Grosch hat Berufspläne und will Geld verdienen. Sobald er als Anwalt oder Richter arbeitet, müsste er für die Kosten selber aufkommen. Die Bildung von Rücklagen für die Altersvorsorge würde dadurch ebenso verhindert wie das Ansparen für eine Reise oder größere Anschaffung.

Die gesetzlich erzwungene Armut würde vielen Behinderten die Motivation nehmen, einen Beruf zu ergreifen, so Grosch. »Wer trotz Behinderung erfolgreich einer Arbeit nachgeht, hat in Deutschland dazu eigentlich keinen Grund. Die Anstrengungen zahlen sich selbst dann nicht aus, wenn sich der Karriereerfolg einstellt.« Damit werde die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft erschwert, oft gar verhindert.

Die Petition samt Unterschriften will Grosch Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) persönlich übergeben. Ein Sprecher sagte dem »Spiegel«, in der nächsten Legislaturperiode solle über ein entsprechendes Gesetz diskutiert werden. Das Forum behinderte Juristinnen und Juristen (FBJJ) drängt auf eine schnelle Änderung und hat bereits einen Gesetzentwurf erstellt. Die gegenwärtige deutsche Praxis verstößt nach ihrer Auffassung gegen die UNO-Behindertenkonvention.

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