Moskau nicht überrascht

Obama sagt Gipfel ab

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.

Moskau traf die Absage nicht aus heiterem Himmel: Zum G20-Gipfel Anfang September in St. Petersburg kommt US-Präsident Barack Obama. Ein Treffen am Rande mit Gastgeber Wladimir Putin indes wird es so wenig geben wie bilaterale Konsultationen beider Präsidenten zuvor in Moskau.

Damit hatte Washington angesichts des Streits um Geheimdienstenthüller Edward Snowden, dem Russland letzte Woche zeitweiliges politisches Asyl gewährte, schon mehrfach dunkel gedroht. Offiziell hieß es, es fehlten Verhandlungsfortschritte bei den Dauerbrennern Raketenabwehr, Menschenrechte und bei internationalen Problemen. Gemeint sind vor allem Syrien und Iran.

Obama, so Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift »Russland in der globalen Politik«, habe allein schon aus innenpolitischen Erwägungen heraus »irgendwie« auf Snowden reagieren müssen. Er wolle es aber nicht zum Äußersten kommen lassen und habe einen »diplomatischen Mittelweg gewählt«, sagte er bei Radio Echo Moskwy. Der reale Schaden für das bilaterale Verhältnis sei daher überschaubar. Ähnlich sah das auch der Vizevorsitzende des außenpolitischen Duma-Ausschusses, Leonid Kalaschnikow. Washington schneide sich mit der Absage vor allem ins eigene Fleisch, die USA würden Russland mehr brauchen als umgekehrt.

Der Politiker spielte damit vor allem auf den Rückzug der NATO-geführten Schutztruppe ISAF aus Afghanistan 2014 an. Der steht und fällt wegen der Sicherheitsrisiken an der afghanisch-pakistanischen Grenze mit der Kooperationsbereitschaft der von Moskau abhängigen zentralasiatischen Republiken und Russlands selbst. Auf der Luftwaffenbasis Uljanowsk an der Wolga sollen die NATO-Truppentransporter zwischenlanden und auftanken.

Der Fall Snowden, vermutet die Tageszeitung »Kommersant«, sei ohnehin nur Anlass, nicht Ursache für die neuerliche Abkühlung der bilateralen Beziehungen. Washington habe Moskau nach den Präsidentenwahlen im März 2012 von der Liste seiner außenpolitischen Prioritäten gestrichen, Außenpolitik sei in Russland Chefsache und Wladimir Putin wenigstens bis 2018 Staatschef. Mit der Option, dann für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidieren zu dürfen. Kreml und Weißes Haus würden in der internationalen Politik jedoch unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Für die USA hätte die weitere Reduzierung der Atomwaffenarsenale Vorrang, für Russland Einigung im Streit um die von Washington geplante globale Raketenabwehr, durch die Moskau sich bedroht sieht. Ein Ende der »kleinen Eiszeit« sei nur durch einen Kompromiss bei beiden Problemen möglich.

Bei dessen Konfiguration, darüber ist man sich in Moskau klar, sitzt seit dem Ende des Warschauer Vertrages Washington am längeren Hebel. Russland ist daher gezwungen, seine Bemühungen um ein Gegengewicht zur NATO zu intensivieren.

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