Luxus-Artikel gedruckte Zeitung

BLOGwoche, zusammengestellt von Jürgen Amendt

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Meldung war die Medien-Nachricht der vergangenen Tage: Jeff Bezos, Chef des Online-Konzerns Amazon, hat für umgerechnet rund 250 Millionen Euro die traditionsreiche US-Zeitung »Washington Post« gekauft. Übersetzt: Ein Guru der Neuen Medien hat sich ein Produkt der »Old Media« unter den Nagel gerissen. Viele Journalisten sehen den Kauf skeptisch, fürchten, dass der Privatmann Bezos die Zeitung nur als Hobbybeschäftigung betrachtet, als Spielzeug, das er schnell wieder weglegen wird, wenn ihm der Spaß vergangen ist. Manche aber jubeln und feiern die Übernahme als Rettung der gedruckten Zeitung. Der Medienjournalist Frank Lübberding ruft in dem von ihm mitbetriebenen Blog www.wiesaussieht.de den Jublern zu: »Geht›s noch? Bezos macht mit der Übernahme offenkundig einen weiteren Schritt im Kampf um die Kontrolle über digitale Wertschöpfungsketten - und Journalisten verlieren darüber keinen einzigen kritischen Ton. Es ist noch nicht einmal ein kritischer Gedanke zu finden.«

Lübberding vergleicht den Verkauf der »Washington Post« mit den jüngsten Veräußerungen von Printprodukten des Axel-Springer-Verlags und sieht einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den beiden Vorgängen: »Springer ersetzt bekanntlich seine Zeitungen durch jenes Modell der Kontrolle über digitale Wertschöpfungsketten, die Amazon und Google erst zu dem gemacht haben, was sie heute sind. Die Verlegerfamilie der ›Washington Post‹ hatte ja auch schon längst diversifiziert. Sie haben nur schlicht - im Gegensatz zu Springer - das Interesse an Zeitungen verloren. Das Interesse von Springer an Zeitungen hat natürlich etwas mit der Rentabilität der ›Bild‹ zu tun. (...) Eine amerikanische ›Bild‹, so ist zu vermuten, hätten die Grahams wohl nicht tränenreich verkauft, sondern doch lieber behalten.«

Einen Hinweis auf ein mögliches Kaufmotiv von Jeff Bezos gibt der Netzjournalist Jan Tißler in seinem Blog www.netzwertig.com. »Eine neue Aktualität gewinnt bei alldem ein Interview der ›Berliner Zeitung‹ mit Jeff Bezos aus dem vorherigen Jahr. Darin erklärt er, Zeitungen nur noch digital zu lesen. Und er macht Zeitungsverlagen Hoffnung: Während im Web niemand bereit sei, für Nachrichten zu bezahlen, stelle sich das auf Tablets ganz anders dar. Das sei allerdings nicht automatisch ›die Rettung‹ für Tageszeitungen, weil sie die analogen und digitalen Felder zugleich beackern müssten. Schließlich würden viele Leser noch immer die gedruckte Ausgabe bevorzugen und die wolle man nicht verlieren. Seine Vorhersage: In 20 Jahren werden es keine gedruckten Zeitungen mehr geben, höchstens noch als extravaganten Luxus-Artikel. Aber er sieht weiterhin einen Platz für hochwertigen Journalismus. Nur braucht der eben ein anderes Medium als Papier.«

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