Katastrophenschutz gegen Atomwaffen

750 Friedensaktivisten blockierten die Zufahrtstraßen zum Fliegerhorst in Büchel

  • Hubert Thielicke, Büchel
  • Lesedauer: 3 Min.
»Rhythm beats Bombs«: Konzerte, Lesungen und eine Blockade gegen den einzigen deutschen Atomwaffenstandort. Rund 750 Leute zelteten von Sonntag auf Montag vor den Toren des Fliegerhorsts Büchel.

Friedliche Koexistenz am Fliegerhorst in Büchel: Während draußen Atomwaffengegner - Buddhisten und Christen, Linke und Grüne, Junge und Alte - kampierten, schauten von drinnen Soldaten interessiert zu. Hunderte mit Helm und Pistole gerüstete Polizeibeamte standen nahe bei den Eingangstoren, andere umkreisten das Gelände mit ihren Fahrzeugen. Das zwischen den Protestorganisatoren, Bundeswehr und Polizei abgestimmte Kooperationsabkommen werde eingehalten, sagte ein Polizeisprecher.

Von Freitag bis Montag kampierten am Bundeswehrfliegerhorst in der Eifel nach Veranstalterangaben rund 750 Atomwaffengegner aus ganz Deutschland gegen das letzte Atomwaffenlager des Landes: Hier lagern noch etwa 20 US-Atomwaffen. Entgegen ihrem Koalitionsvertrag und einem Bundestagsbeschluss des Bundestages stimmte die Regierung unter Angela Merkel (CDU) ihrer Modernisierung und damit auch ihrem weiteren Verbleib zu. Von Sonntag bis Montagmittag blockierten die Friedensaktivisten alle Zufahrten zum Bundeswehrflugplatz. Kein Militärfahrzeug kam hinein; allerdings betraten am Montagmorgen 200 Soldaten zum Schichtwechsel heimlich durch einen Hintereingang den Fliegerhorst.

Die Blockaden der Zufahrtstraßen unter dem Motto »Rhythm beats Bombs« wurden von vielen verschiedenen Aktionen begleitet: Konzerte, Lesungen, interreligiöse Zeremonien. Vor Tor 2 verteilte Pfarrer Matthias Engelke an Soldaten Flugblätter. Sie sollen erklären, dass sie nichts mit Atomwaffen zu tun haben wollen und Befehle zu deren Einsatz verweigern werden. »Selbstverständlich habe ich dem Standortkommandeur auch ein solches Schreiben geschickt«, so der Pastor, der sich mit der Organisation »Initiativkreis gegen Atomwaffen« seit Jahren gegen den Atomwaffenstandort engagiert. Ausgelassene Stimmung herrschte vor Tor 3, wo die Kabarettgruppe Muita Merda aus Aachen die Blockierer mit einem passenden Programm unterhielt. Alle schunkelten mit beim Lied »Der Domschatz von Aachen kommt in den Bunker rein«.

Während in Deutschland nur noch in Büchel Atomwaffen lagern, verfügen heute im Ganzen neun Staaten über insgesamt etwa 17 000 Atomwaffen. Davon haben die USA rund 180 der NATO zur Verfügung gestellt und in Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden und der Türkei stationiert. Unter dem Motto »atomwaffenfrei jetzt« fordern in Deutschland zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen den Abschluss einer internationalen Konvention zum Verbot dieser Vernichtungswaffen. Die Bundesregierung soll sich vor der 2015 stattfindenden nächsten Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages für einen solchen Schritt einsetzen, forderten auch die Aktivisten in Büchel, zu denen sich Atomwaffengegner auch aus anderen europäischen Ländern gesellt hatten.

Zum Beispiel das holländische Kollektiv »Rampenplan«. »Auf Flämisch heißt das ›Katastrophenschutzplan‹«, erklärte Krista van Velzen von der holländischen Organisation No Nukes. Seit mehr als 30 Jahren kümmere sich die Gruppe um das Essen bei Aktionen gegen Atomkraft. Van Velzen vertrat die niederländische Friedensbewegung, die gegen die Stationierung amerikanischer Kernwaffen im eigenen Lande kämpft. »Wir haben im Parlament eine starke Lobby«, berichtete sie. »Dort ist eine Mehrheit gegen die Modernisierung und für den Abzug der Atombomben. Nun muss die neue Regierung endlich aktiv werden.«

In Deutschland ist Bundestagswahlkampf, und so fanden sich auch PolitikerInnen der LINKEN und der Grünen in Büchel ein. Die Linkspartei wurde unter anderem vom Bundestagsabgeordneten Paul Schäfer vertreten, die Grünen von der Vorsitzenden Claudia Roth. »Die Bundesregierung hat nichts getan, um ihr Versprechen im Koalitionsvertrag nach Abzug der Atombomben umzusetzen, sondern hält nach wie vor an der nuklearen Teilhabe fest«, sagte Roth gegenüber »nd«. »Ich finde es deshalb gut, dass hier in Büchel ein Signal gesetzt wird.« Die Beschlüsse von USA und NATO zur Modernisierung der auch in Büchel stationierten B61-Bomben stünden im krassen Widerspruch zu den Ankündigungen von US-Präsident Obama über eine kernwaffenfreie Welt. Nach einer kühlen Nacht begann am Montagmorgen um sechs Uhr wieder das Musikprogramm. Der amerikanische Friedenskämpfer John LeForge musizierte, sang und sprach über von Atomwaffen ausgehende Gefahren. Wie um seine Worte zu unterstreichen, stiegen um zehn Uhr zwei Kampfjets auf und donnerten über den wolkenverhangenen Himmel.

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